Mittwoch, 28. Juli 2021 - Dienstag, 03. August 2021
Beifuß (Artemisia)
Gänsefußgewächse (Amaranthaceae/Chenopodiaceae)
Hopfen (Humulus - Cannabaceae)
Traubenkraut (Ambrosia)
Ampfer (Rumex)
Brennnesselgewächse (Urticaceae)
Wegerich (Plantago)
Gräser (Poaceae)
Es ist Kräuterpollenzeit – Beifuß erreicht Hauptblüte.
Der wettertechnisch unruhige Sommer 2021 setzte sich in den letzten Tagen fort. Lokal kam es wieder zu Starkregenereignissen und kleineren Überschwemmungen (beispielsweise entlang des Alpenrandes). Es gab aber trotz allem auch einige ruhige, sommerliche Tage, an denen der Pollen- und Sporenflug aufleben konnte. Hierbei war dann die Familie der Brennnesselgewächse sehr aktiv und trieb die Pollenkonzentrationen in Richtung saisonaler Spitzenwerte, ohne jedoch Rekordwerte zu erreichen. Beim Rest der Pollenschar hatten mal die Gräser die Nase vorn (in allerdings höchstens mittlerer Pollenkonzentration), mal andere Kräuter, wie Ampfer oder Wegerich. Langsam schlichen sich zudem mehr Beifußpollen ein. Bisher reichte es jedoch noch nirgendwo für das Erreichen der hohen Warnschwelle. Der Sporenflug von Alternaria fiel insbesondere im Osten und Nordosten häufig (sehr) stark aus, im Westen, in der Mitte und im Süden arbeiteten sich die Sporenkonzentrationen tendenziell ebenfalls nach oben, erhielten hier jedoch öfter eine kräftige Dusche und konnten sich nicht allzu sehr in der Luft anreichern. Der Sporenflug von Cladosporium erreichte bisher nicht wieder die Höchststände von Anfang/Mitte Juli. In den letzten Tagen wurde die Warnschwelle nur stellenweise überschritten.
In den kommenden Tagen sieht es weiterhin nicht nach einem beständigen Hochdruckgebiet über Deutschland aus. Auch die Temperaturen gehen bescheidene Wege. Da im Nordwesten und Westen, sowie ganz im Süden entlang der Alpen eher Regenschirm und Gummistiefel zum Einsatz kommen als Sonnencreme und Badehose, gestaltet sich hier die Pollen- und Sporensaison weniger grimmig. In einem Streifen dazwischen (vor allem im Osten) können sich die Pollen und Sporen bis zum Ende der Vorhersageperiode besser ausbreiten und für stärkere Allergiesymptome bei den Betroffenen sorgen.
Die Saison der Gräser (Poaceae) geht nun in die Zeit der Nachblüte. In dieser fliegen weiterhin Pollen spätblühender Arten (wozu auch viele dekorative Gräser gehören) oder von Arten, die nach einer Mahd zu einer schwachen zweiten Blüte ansetzten. Damit dümpeln die Pollenkonzentrationen der nächsten Tage zwischen häufig gering (aufgrund des unbeständigen Wetters) und gelegentlich mäßig (bei länger trockenem Wetter) hin- und her. Hotspots für Pollenflug, falls man denn überhaupt noch davon sprechen kann, finden sich auf naturnahen Wiesen, an Orten mit großen Beständen spätblühender Arten, wozu meist Siedlungsräume gehören und auf Almwiesen, aufgrund der späteren Blütezeit in den Hochlagen. In der Tendenz nimmt der Pollenflug in den kommenden sieben Tagen ganz allmählich ab. Der den Gräsern zugehörige Mais (Zea mays) blüht nun vielerorts in voller Pracht. Ein Symptomrisiko geht vom direkten Umfeld (windabgewandte Seite) der Maisfelder aus. Gräserpollenallergiker sollten vor allem den Aufenthalt in blühenden Feldern unbedingt vermeiden, da beim Berühren der Pflanzen unter Umständen große Pollenmengen von oben auf die Betroffenen herunterfallen und zu starken Symptomen führen können. In einigen duzend Metern Entfernung von den Feldern verringern sich die Pollenkonzentrationen sehr rasch und die schweren Maispollen treten meist nur vereinzelt in der Luft auf. Kommt zudem Nass von oben, fällt der Pollen direkt an Ort und Stelle zu Boden.
Das letzte Sommerdrittel gehört weniger den Gräsern als vielmehr den Kräutern. So geht der allergene Beifuß (Artemisia) dieser Tage weithin zur Vollblüte über. Im Zuge dessen gehen die Pollenbelastungen nach oben und steigen insbesondere im trockeneren Osten des Landes flächig von gering bis mäßig auf mäßig bis stark. In den regenreicheren Gebieten (Nordwesten, Westen und Süden) sollten sich die Belastungen durch Beifußpollen im Rahmen halten und voraussichtlich nur lokal und zeitweise im mäßigen Bereich liegen. Aber: Starker Pollenflug ist während der Blütezeit des Beifußes im unmittelbaren Umfeld größerer Bestände immer schnell erreicht – hier hilft Abstand halten. Beifuß ist zudem ein „Frühaufsteher“ und quetscht die Pollen besonders in den Morgenstunden aus seinen Blüten. Die Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae/Amaranthaceae) blühen schon eine Zeitlang. Hier ist bei den Pollenkonzentrationen allerdings noch Luft nach oben. Bisher blieb der Pollenflug nur sehr schwach, kann sich aber (wiederum bevorzugt im niederschlagsärmeren Osten) in den nächsten Tagen etwas intensivieren. Große Sprünge sind dabei nicht zu erwarten. Die höchsten Konzentrationen werden manchmal erst Ende August erreicht, sowie generell im Umfeld blühender Pflanzen.
Die Blüte der Brennnesselgewächse (Urticaceae) ist auf ihrem Zenit. Es kommt an Tagen mit guten Pollenflugbedingungen überall im Land zu einem starken Pollenflug von vorwiegend Brennnessel (Urtica) und örtlich Glaskraut (Parietaria) inklusive saisonaler Spitzenwerte. Während Brennnesseln landauf, landab an nahezu jeder Ecke gedeihen, suchen sich Glaskräuter bevorzugt warme Innenstädte oder andere wärmebegünstigte Orte zum Wachsen aus. Der Anteil der als (im Mittelmeerraum besonders) allergen geltenden Glaskrautpollen in der Luft kann allerdings nur vage anhand der Größe der Vorkommen geschätzt werden. Eine Differenzierbarkeit zwischen Glaskraut- und Brennnesselpollen ist unter dem Mikroskop nicht möglich.
Die beiden Grünlandbegleiter Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) sind mehr oder weniger gleichbleibend aktiv. Neue Blüten werden auch nach einer Mahd schnell wieder gebildet, sodass die Pollenkonzentrationen unter Schwankungen flächig in etwa zwischen schwach und mäßig liegen. Auf üppig blühenden Wiesen kann die Zahl der Wegerichpollen mittlerweile die Zahl der Gräserpollen (deutlich) übersteigen. Da sich Wegerichpollen kreuzreaktiv zur Gräserpollen verhält, ist hierbei von einer gewissen Relevanz des Wegerich-Pollenflugs für Gräserpollenallergiker auszugehen. Die Rolle von Ampferpollen am Allergiegeschehen ist schwierig zu beurteilen, wird, falls vorhanden, wahrscheinlich häufig ebenfalls einer Gräserpollenallergie zugeschrieben.
Zögerlich beginnt der Hopfen (Humulus) im Tiefland zu blühen. Auch die optisch sehr ähnlichen Pollen des Hanfs (Cannabis) können sich daruntermischen. Hopfen und Hanf bilden die beiden einzigen heimischen Vertreter der Hanfgewächse (Cannabaceae). Beide besitzen moderat allergenen Pollen. Die Pollenzahl der beiden Arten in der Luft ist in der Fläche gesehen relativ gering, insbesondere jetzt am Beginn der Saison. Allergiesymptome dürften daher die Ausnahme bleiben. Dort wo Hanf angebaut wird (z.B. in der Uckermark in Brandenburg) oder Hopfen in größerer Zahl wächst (z.B. feuchte, stickstoffreiche Weg- und Waldränder), ist die Pollenzahl unter Umständen größer und Allergiesymptome können eher auftreten bzw. stärker ausfallen.
Die Blüten des allergenen Traubenkrauts (besser bekannt unter dem lateinischen Begriff Ambrosia) befinden sich größtenteils noch in der Entwicklung. Langsam tauchen aber an den Schwerpunkten der Ambrosia-Besiedlung erste Pollen in der Luft auf und belasten schwach die Umgebungsluft.
Weitere Pollentypen die aktuell in mengenmäßig kleiner, teils zunehmender, teils abnehmender Zahl messbar sein können, gehören zu diversen insektenbestäubten Kräuterfamilien, wie Doldenblütlern (Apiaceae), Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae), verschiedenen Korbblütlern (Asteraceae), oder Arten wie dem Natternkopf (Echium), diversen Labkräutern (Galium – Rubiaceae), Büschelschön (Phacelia), usw.). Daneben sind stellenweise noch etwas Linden- (Tilia) und Esskastanienpollen (Castanea) messbar, sowie vereinzelt Pollen der Zypressengewächse (Cupressaceae).
Viele unterschiedliche Schimmelpilzsporen befinden sich derzeit in oft hohen Konzentrationen in der Luft, gefördert vom reichlich vorhandenen Nass. Sobald es abtrocknet, reichert sich die Luft fix mit Sporen an. Ganz vorn mit dabei und allergologisch bedeutend ist die Gattung Alternaria, die in den kommenden Tagen aufgrund schlechterer Flugbedingungen (bzw. schlechterer Erntebedingungen für die Bauern) in einigen Landesteilen (Nordwesten, Westen und Süden) vermutlich nicht allzu stark belasten wird. Das Überschreiten der Warnschwelle sollte aber dennoch an den meisten Tagen gelingen, sofern man völlig verregnete Tage außen vorlässt. Im eher niederschlagsarmen Osten erhält Alternaria immer wieder Nachschub durch die sich vollziehende Raps- und Getreideernte, hohe Belastungen inklusive. Bei der allergenen Sporen-Gattung Cladosporium verhält es sich im Großen und Ganzen ähnlich wie bei Alternaria, sowohl was die betroffenen Regionen als auch was die generelle Belastung der Luft angeht. Daneben fliegen in den kommenden Tagen weitere Sporentypen wie Epicoccum und anderen von uns nicht systematisch erfasste Typen.
Matthias Werchan, 28.07.2021
Ärztliche Hinweise (Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann)
Liebe Leserinnen und Leser,
die COVID-19 Pandemie hat dafür gesorgt, dass auch in Ländern wie Deutschland das Tragen von Mund-Nasen-Masken verlangt und vom Großteil der Bevölkerung als sinnvolle Maßnahme zur Vorbeugung einer Infektion akzeptiert wird. Traditionell werden solche Masken in Europa aufgrund normaler Luftqualitäten nicht getragen, wie es etwa in China der Fall ist. Daten oder auch nur gesicherte Informationen über den möglichen Einfluss von Masken auf die Symptome von Pollenallergikern existierten daher nicht. Die Situation hat sich gründlich geändert; Masken werden in der Öffentlichkeit auch von vielen der rund 11 Millionen Erwachsenen getragen, die in Deutschland unter einer Pollenallergie leiden, meist in Form der allergischen Rhinokonjunktivitis. Einzelne Personen berichteten über ihren Eindruck, dass das Tragen der ungeliebten Maske zu weniger Fliesnase oder Augenjucken führen würde, aber es blieb bisher unklar, ob die Maske eine geringere Pollenbelastung im Umfeld der Betroffenen oder die Nutzung einer anti-allergischen Medikation die Ursache für weniger Beschwerden waren. Eine Studie in Berlin gab nun interessante Einsichten. Zur Bewertung einer „Anti-Pollen-Wirkung“ von Mund-Nasen-Masken wurden 14 Erwachsene mit einer gesicherten allergischen Rhinokonjunktivitis durch Gräserpollen außerhalb der Gräserpollensaison in einer Expositionskammer mit Gräserpollen über zwei Stunden standardisiert exponiert. Dabei trugen sie entweder keine Maske, eine medizinische Maske oder eine FFP2-Maske. Das Ergebnis: Das Tragen beider Masken führt zu einer deutlichen Vermeidung von nasalen und auch konjunktivalen Symptomen; signifikante Unterschiede in der Wirkung beider Masken bestehen nicht. Das Allgemeine Wohlbefinden wird durch die Masken vor dem Pollenflug deutlich geschützt. Das bedeutet für Pollenallergiker - das Tragen von Masken während der Pollensaison ist eine wirksame nicht-medikamentöse Option für Pollenallergiker, die von uns sehr empfohlen werden kann.
Quelle: Bergmann, KC et al. Mund-Nasen-Masken zur Vermeidung von COVID-19 und Pollenallergie geeignet: eine Studie in der Expositionskammer. Allergo J Int 2021; 30: im Druck.
*** Wir danken der AstraZeneca GmbH und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Gräser und des Beifußes für Deutschland finden Sie hier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Gräser in der Luft in Europa finden Sie hier.
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