Gräserpollenbelastung anhaltend hoch – keine Entlastung in den nächsten sieben Tagen.
Außer eines kleinen Regenpakets für den Südosten und die Landesmitte fiel die Niederschlagsbilanz der zurückliegenden Woche wieder sehr mau aus. Dabei blickt vor allem der Nordosten bereits seit mehreren Wochen niederschlagstechnisch in die Röhre. Unter den mehrheitlich pollenflugförderlichen Bedingungen setzte sich deutschlandweit der Anstieg der Konzentration an Gräserpollen in der Luft fort – allerdings nicht übermäßig schnell (kalte Nächte). Außer direkt an der Küste (meist Wind vom Meer) und im äußersten Norden belasteten Gräserpollen In den Tieflagen nahezu überall (mäßig bis) stark, mit den höchsten Werten in den Tieflagen des Südwestens und Westens, wo die saisonale Gräserpollenbelastung bereits nahe ihrem alljährlichen Zenit angekommen sein dürfte. Roggenpollen flogen noch verbreitet im Norden und etwas in höher gelegenen Anbaugebieten im Süden. Bei den Baumpollen stand praktisch nur die Kiefer mit erwähnenswerten Pollenmengen zur Verfügung, unterstützt vor allem durch leichten Holunderpollenflug und erste Pollen der Esskastanie. Ampfer- und Wegerichpollen haben sich mittlerweile im ganzen Land für ihren langen Sommerauftritt warmgemacht und warten regelmäßig mit geringen bis mittleren Pollenmengen auf, Pollen von Brennnesselgewächsen wurden ebenfalls häufiger und erreichten gegen Ende neben geringen, auch immer verbreiteter mittlere Konzentrationen (Norden und Bergland ausgenommen). Der Sporenflug lässt es diese Saison langsam angehen. An keiner unserer Messstationen flogen Alternaria und Cladosporium in warnrelevanter Menge.
Der Sommer ist gekommen, um zu bleiben. Lokale Schauer und Gewitter können anfangs vor allem in der Südhälfte des Landes auftreten, ansonsten setzten sich Hochdruck, Trockenheit und Sonne fort, bei durchweg sommerlichen Temperaturen. Die Pollenflugbedingungen sind demnach weiterhin spitze, vor allem in der gesamten Nordhälfte.
Bei den Gräsern (Poaceae) herrscht nun „Rushhour“ – zahlreiche Arten wollen gleichzeitig ihre Pollen loswerden und treffen dabei auf warmes und mehrheitlich trockenes Sommerwetter. So ist es nicht verwunderlich, dass uns das hohe Belastungslevel mit saisonalen Spitzenkonzentrationen über die gesamte Woche mehr oder weniger beständig erhalten bleibt! Selbst in den oberen Berglagen können hohe Konzentrationen nicht mehr ausgeschlossen werden. Nur direkt an den Küsten und auf den Inseln ist die Luft bei Seewind wenig(er) mit Gräserpollen „verseucht“. Während die Pollenkonzentrationen im Flachland von Süd- und Südwestdeutschland nicht mehr sonderlich zunehmen dürften, werden diese im großen Rest des Landes höher liegen als in der Vorwoche. Inwieweit sich allerdings die starke Dürre im Norden und Nordosten bereits pollenflugmindernd auswirkt, kann erst im Nachhinein beurteilt werden. Die Roggenblüte (Secale) flaut nun rasch wieder ab. Nur im Norden und höher gelegenen Gegenden sind im Umfeld der Anbauflächen noch Roggenpollen in nennenswerte Zahl unterwegs und können Gräserpollenallergiker zusätzlich schwach bis mäßig belasten. Von der Mitte bis in den Südwesten fliegen Roggenpollen nurmehr sporadisch umher.
Die Kieferblüte (Pinus) ist in den Tieflagen vorüber, Kiefernpollen können aber aus höher gelegen Gebieten oder aus Nord- und Osteuropa heranwehen und über ganz Deutschland verteilt werden. Auch bereits sedimentierte und danach wiederaufgewirbelte Pollen haben am weiterhin oft mäßigen und vereinzelt starken Pollenaufkommen ihren Anteil.
Das warme Sommerwetter begünstigt das rasche Aufblühen spätblühender Baumarten. Dazu gehören vor allem Linde (Tilia), Götterbaum (Ailanthus) und Esskastanie (Castanea), die alle messbaren Pollenflug verursachen. Lindenpollen sind, sobald die Blüte einsetzt, aufgrund der weiten Verbreitung von Linden (bevorzugter Straßenbaum) deutlich stetiger und flächiger in der Luft als die Pollen der Esskastanie, die recht selten gepflanzt wird und nur im Südwesten Deutschlands natürlicherweise vorkommt oder Götterbaumpollen, die sich am liebsten in den größeren Städten, dem bisherigen Verbreitungsschwerpunkt dieser Art, aufhalten. Hohe Pollenkonzentrationen verursachen die genannten Arten vor allem im Umfeld voll erblühter Bäume. Lindenpollen kann bei einigen Menschen zu Sensibilisierungen und spürbaren allergischen Symptome führen. Pollen der Esskastanie kann in hohen Konzentrationen bei Birkenpollenallergikern zu leichten Kreuzreaktionen führen. Götterbaumpollen gilt als allergen, ist aber nur lokal zugange. So ist insbesondere in den Städten mit größeren Götterbaumbeständen in den kommenden Tagen (außer im Norden) mit auflebendem Pollenflug dieser neophytischen Art zu rechnen.
Pollen von Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) fliegen beständig unter Schwankungen in leichter bis mäßiger Konzentration. Vor allem im Bergland sind noch Aufwärtstendenzen beim Pollenflug beider Pollenemittenten möglich. Auf Wiesen mit reichlich Kräuterbesatz sind punktuell auch hohe Pollenkonzentrationen möglich.
Die Brennnesselgewächse (Urticaceae) beginnen vermehrt zu blühen und die Pollenkonzentrationen steigen an. Neben verbreitet mittleren Pollenkonzentrationen durch vorwiegend Brennnessel- (Urtica) und lokal Glaskrautpollen (Parietaria), sind besonders nach Westen und Süden hin auch erstmals hohe Pollenzahlen möglich. Nur schwach bleibt der Pollenflug dagegen im Bergland und an den Meeresküsten bei Seewind.
Die Holunderblüte (Sambucus) hat inzwischen das gesamte Land erfasst. Mit leichtem Holunderpollenflug ist in der Fläche und mit mittleren bis starken Pollenflug in der Umgebung voll erblühter Holunderbüsche zu rechnen. Holunderpollen ruft in der Regel keine Allergien hervor. Sollten sich dennoch allergische Reaktionen entwickeln, verschwinden diese durch etwas Distanz zu den Pflanzen wieder.
Weitere Pollentypen die aktuell in meist mengenmäßig geringer Zahl auftreten, gehören zu Birke (Betula), Eiche (Quercus), Fichte (Picea), Liguster (Ligustrum), Mädesüß (Filipendula), Raps (Brassica), Robinie (Robinia), Rosskastanie (Aesculus), Sauergräsern (Cyperaceae), und zu Binsen- (Juncaceae), Hahnenfuß- (Ranunculaceae), Rosen- (Rosaceae) und Zypressengewächsen (Cupressaceae). Vereinzelt treten Kräuterpollen von Doldenblütlern (Apiaceae) und Korbblütlern (Asteraceae) auf. Im Alpenraum blüht noch die Grün-Erle (Alnus) und birgt lokale Belastungen für Gebirgsurlauber. Im nördlichen Mittelmeerraum kann Olivenpollen (Olea) die dort urlaubende Eschenpollenallergiker über Kreuzreaktionen betreffen.
Nachdem gehaltvoller Sporenflug von Cladosporium bisher ausblieb, dürfte wohl auch die aktuelle Vorhersagewoche nicht sofort mit wildem Sporenflug aufwarten. Das Überschreiten der Sporentyp-eigenen Warnschwelle ist aber lokal möglich, speziell in den Gegenden, wo es jetzt mal geregnet hat. Alternaria-Sporen werden in den kommenden Tagen ebenfalls noch kein Problem darstellen und nur in geringer Menge fliegen, ebenso Epicoccum.
Matthias Werchan, 07.06.2023
Medizinische Hinweise (Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
1855 beschreibt der Badearzt Dr. Alfter einen jungen Mann, der seit seinem 7. Lebensjahr regelmäßig „zu der Zeit, wo der Roggen blühte“ Schnupfen, Konjunktivitis und Atemenge hatte. Und – „Die Seeluft … war nur von wirklichem Effekt, wenn der Wind von der See herkam.“ Dies ist der erste dokumentierte Pollenallergiker in Deutschland aus Oeynhausen – und beschreibt einen Graspollenallergiker (durch Kreuzreaktivität zu Roggen).
Herr Matthias Werchan hat in seiner wiederum so anschaulichen Wochenpollenvorhersage vorausgesagt, dass die Gräserpollen weiterhin die bestimmenden Pollen bei der Auslösung von Symptomen von Heuschnupfen und allergischen Asthma in der nächsten Woche sein werden. Gräserpollen spielen innerhalb der allergenen Pollen eine besondere Rolle. Zum einen sind sie mit 18,2 % unter der erwachsenen Gesamtbevölkerung der Spitzenreiter bei der Auslösung von Sensibilisierungen – gefolgt von der Birke mit 17,4 %. Dabei ist es interessant zu sehen, dass die Häufigkeit der Sensibilisierung gegen Gräserpollen abhängig ist vom Gemeindetyp und dem sozioökonomischen Status. Während in Dörfern und Kleinstädten nur 16,3 bzw. 17,4 % Sensibilisierungen gemessen werden, sind es in Mittelstädten und Großstädten 18,8 bzw. sogar 20,5 %. Jeder Fünfte ist in Großstädten sensibilisiert gegen Gräserpollen! Wer nur zur Grundschule ging, hat das Glück, zu den nur in 13,5 % Sensibilisierten zu gehören., diejenigen mit einem höheren sozioökonomischen Status aber sogar in 29.5 % – jeder Dritte von ihnen ist betroffen.
Gibt es im ländlichen Bereich oder in der Umgebung von kleineren Städten geringere Grasflächen als in Großstädten? Sicher nicht – aber warum dann mehr Sensibilisierungen in großen Städten? Es gibt hier nach meinem Wissen noch keine gesicherte Antwort. Möglicherweise führt die gemeinsame Inhalation von Pollen und Feinstäuben oder aber auch mit kleinen Dieselpartikeln zu erhöhten Sensibilisierungszahlen. Seit der Einführung von Dieselfiltern wird über diese Partikel nicht mehr viel gesprochen, aber frühere Untersuchungen zeigten eine Stimulierung sowohl von Gesamt-IgE als auch von spezifischen IgE-Antikörpern bei gleichzeitiger Einatmung von Allergenen und Dieselpartikeln.
Andere Untersucher meinen, dass die höhere Rate an Sensibilisierungen durch Pollen in Städten – ohne nachweisbar höhere Expositionen – sowohl Folge der Wirkung von Luftschadstoffen auf die Pflanzen selbst als auch einer gesteigerten Hyperreagibilität der menschlichen Schleimhäute mit erhöhter Bereitschaft zur Aufnahme inhalierter Allergene sein kann.
Es gibt noch vieles zu begreifen – wir bleiben dran.
*** Wir danken der Allergopharma GmbH & Co. KG und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Gräser und des Roggen für Deutschland finden Sie hier. Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Birke, Gräser und Olive in der Luft in Europa finden Sie hier.
Für die Anmeldung unseres wöchentliches Newsletters schreiben Sie bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Anmeldung des PID Newsletters“ an barbora.werchan[at]charite.de Dankeschön!