Gräser verlassen den Belastungsgipfel – Spektrum der Kräuterpollen wird immer breiter.
In den zurückliegenden Tagen dominierten in Deutschland warme bis heiße und unwetterlastige Luftmassen. An manchen Orten flogen teils mehr Hagelkörner als Pollenkörner durch die Luft (Süddeutschland). Es gab aber auch Regionen, in denen so gut wie kein Regen fiel (Nordosten) und sich die Pollen ungestört verteilen konnten. Solange es trocken blieb, hielten die Gräser mit ihren Pollen die Allergiker weiterhin auf Trab. An einigen Messstationen summieren sich die Gräserpollen schon jetzt auf Werte, wie sie sonst in Summe zu Saisonende erreicht werden, mit entsprechend unangenehmen Begleiterscheinungen für die Betroffenen. Neben den Gräsern profilierten sich in zunehmendem Maße die Pollen der Kräuter, allen voran die der Brennnesselgewächse. Die „kleine Baumblüte“ der Sommerblüher Esskastanie, Linde und Götterbaum ist in vielen Regionen bereits auf ihrem Höhepunkt oder kurz davor, entsprechend traten deren Pollen mal mehr, mal weniger deutlich in Erscheinung.
Die kommenden Tage versprechen insgesamt mäßig warmes Sommerwetter mit den höheren Temperaturen im Süden Deutschlands, dabei nimmt das Regenrisiko zum Wochenende hin allmählich ab. Der allergene Pollen Nummer eins bleibt Gräserpollen.
Der in diesem Jahr sehr überzeugende Auftritt der Gräser (Poaceae) setzt sich auch in den kommenden Tagen mit meist noch hohen Pollenkonzentrationen fort. Der heftigste Abschnitt der aktuellen Saison liegt aber hinter uns und die Pollenzahlen nehmen trotz bevorstehender Wetterberuhigung allmählich ab. Eine Ausnahme bilden höhere Berglagen, wo lokal, aufgrund des verzögerten Blühbeginns, die Konzentrationen auch noch ansteigen können. Gräserpollenallergiker sollten insbesondere ungemähtes Grünland meiden. Auch breite Feldraine oder extensiv beweidete Flächen können Pollen-Hotspots darstellen. Deutlich besser sieht es mittlerweile bei den Getreidefeldern aus. So ist beispielsweise der vergleichsweise pollenpotente Roggen (Secale) abgeblüht und der Mais (Zea) noch nicht erblüht. Getreidepollen funken also derzeit nicht dazwischen. Das Risiko für Gewitterasthma in Zusammenhang mit Gräserpollen kann noch ein Thema sein, ist aber aufgrund der nachlassenden Gewittertätigkeit und der geringer werdender Pollenbelastung nicht mehr so im Fokus wie in den beiden Vorwochen.
Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) sind als „Dauerbrenner“ aktiv und stoßen in etwa gleichbleibender Zahl ihre Pollen aus, wodurch je nach umgebender Landnutzung und Wetterlage geringe bis mittlere Pollenkonzentration in der Luft erreicht werden. Wegerichpollen kann über Kreuzreaktionen eine Relevanz für Gräserpollenallergiker haben. Die Rolle von Ampferpollen am Allergiegeschehen ist schwierig zu beurteilen, wird, falls vorhanden, wahrscheinlich häufig als Gräserpollenallergie gedeutet. Die Brennnesselgewächse (Urticaceae) mit ihren beiden bekannten Vertretern Brennnessel (Urtica), und Glaskraut (Parietaria) sind bereits ungewöhnlich aktiv für die Jahreszeit; möglicherweise ein Tribut an die Hitzewelle nach einem feuchtkühlen Frühjahr. Die Pollenkonzentrationen nehmen normalerweise bis in den Juli bzw. bis Anfang August hinein immer weiter zu, liegen jedoch bereits jetzt an manchen Stationen im Bereich vorjähriger Saisonspitzen. Allgemein ist davon auszugehen, dass die Pollenkonzentrationen in den kommenden Tagen weiter zunehmen, zumal es deutschlandweit für ein paar trockene Tage reichen soll. Die kleinen Pollen der Brennnesselgewächse verteilen sich leicht und weiträumig in der Luft, was ein Ausweichen hierzulande nahezu unmöglich macht. Besonders bei den Pollen der Glaskräuter ist die Allergierelevanz nachgewiesen und bekannt. Im Mittelmeerraum gelten diese als bedeutsame Allergieverursacher. Hierzulande machen es sich die wärmeliebenden Glaskräuter insbesondere innerhalb oder am Rande städtischen Wärmeinseln oder ähnlich wärmebegünstigten Orten (zunehmend) bequem. Glaskrautpollen sind daher beispielsweise in Großstädten wie Berlin oder Köln ein Thema. Die klassischen Brennnesseln wachsen dagegen landauf landab an fast jeder Ecke, entsprechend geben an den meisten Orten Brennnesselpollen den Ton an.
Mit dem Überschreiten des Sonnenhöchststandes am 21. Juni bricht allmählich die Zeit der Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae/Amaranthaceae) und des Beifußes (Artemisia) an. Noch rar sind die Blüten von Gänsefuß (Chenopodium) und Melde (Atriplex), typischen Vertretern der windbestäubten Gänsefußgewächse. Es wurden allerdings bereits erste Pollen in einigen unserer Pollenfallen detektiert. Viel mehr wird es auch in den nächsten Tagen noch nicht sein, ein Anfang ist aber gemacht. Noch rarer als die Pollen der Gänsefußgewächse bleiben bis zum Monatsende die Pollen des Beifußes. Von einer bemerkbaren „Allergieproblematik“ kann man bei den wenigen Pollen vorerst nicht sprechen, die Info ist eher peripherer Natur. Vereinzelt wurden erste Pollen der Hanfgewächse (Cannabaceae) gemessen, wobei hier tatsächlich der Hanf (Cannabis) gemeint ist und nicht der Hopfen (Humulus), der noch auf sich warten lässt. Mehr als ein sporadisches Auftreten von Pollen der Hanfgewächse ist daher auch in den kommenden Tagen nicht zu erwarten, es sei denn, man befindet sich in der Umgebung von Anbauflächen mit Nutzhanf (z.B. Niedersachsen), wo lokal folglich mehr Pollen umherfliegt.
Linde (Tilia), Götterbaum (Ailanthus) und Esskastanie (Castanea) stehen in voller Blüte. Entsprechend ist aktuell und in den kommenden Tagen mit entsprechendem Pollenaufkommen zu rechnen. Von diesen drei wärmeliebenden Baumarten sind in Deutschland jedoch keine großen Pollenmengen zu erwarten. Die beiden erstgenannten Vertreter sind vorwiegend insektenbestäubt und deren Pollenausstoß daher nicht vergleichbar mit Windbestäubern wie Birke oder Erle, die Esskastanie ist nur im Südwesten des Landes heimisch, kommt ansonsten nur in kleinen Anpflanzungen vor. Dennoch sollen diese Arten als potenzielle Allergieauslöser erwähnt werden. So ist beispielsweise der in Deutschland in Ausbreitung befindliche Neubürger Götterbaum in seiner Heimat China eine häufige Ursache für Sensibilisierung unter Pollenallergikern, so zumindest belegen es Daten aus Peking, wo etwa ein Drittel der Patienten im Pricktest positiv auf Götterbaumpollen reagiert. Bedeutsamer Pollenflug ist hierzulande in vielen größeren Städten möglich, da sich der Götterbaum aufgrund seines hohen Wärmeanspruchs besonders den städtischen Wärmeinseln verschrieben hat. Der Lindenpollenflug erreicht ähnliche Dimensionen, wie der Pollenflug des Götterbaums (so dieser denn vorkommt). Besonders im näheren Umfeld blühender Linden bzw. Götterbäume können die Pollenkonzentrationen in den kommenden Tagen ein hohes Konzentrationsniveau erreichen, mit etwas Abstand ist der Pollenflug dagegen maximal mäßig, etwa auf dem Niveau von Wegerich oder Ampfer. Auch Lindenpollen kann gelegentlich Allergien auslösen, ein Aufenthalt unter blühenden Linden sollten Betroffene daher vermeiden. Pollen der Esskastanie führt mitunter zu schwachen Kreuzreaktionen bei Birkenpollenallergikern.
Holunderpollen (Sambucus) fliegt auch in den nächsten Tagen noch in kleiner Zahl durch die Luft. Die Blüte zieht sich allerdings mehr und mehr aus den wärmeren Regionen zurück und beschränkt sich auf den kühleren Norden und die Höhenlage der Berge, wo dann weiterhin eine gewisse Allergierelevanz bei den wenigen Betroffenen besteht. Sofern die unmittelbare Nähe zu blühenden Holunderbüschen gemieden wird, ist sowieso nicht mit (starken) Symptomen zu rechnen.
Weitere Pollentypen die aktuell in mengenmäßig kleiner, teils zunehmender, teils abnehmender Zahl messbar sein können, gehören zu diversen insektenbestäubten Kräutern, wie Doldenblütlern (Apiaceae), Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae), Korbblütlern (Asteraceae), Natternkopf (Echium), diversen Labkräutern (Galium – Rubiaceae), Büschelschön (Phacelia), usw. Daneben sind stellenweise noch messbar Birke (Betula), Eiche, (Quercus), etwas Kiefernpollen (Pinus), meist von den Latschenkiefern (P. mugo) in den Hochlagen der Berge, wo auch noch letzte Grünerlen (A. viridis) aktiv sein können, Liguster (Ligustrum), Robinie (Robinia), Rohrkolben (Typha) und Zypressengewächse (Cupressaceae).
Bei den Schimmelpilzen geht es in den kommenden Wochen Schlag auf Schlag. Nachdem der allergene Sporentyp Cladosporium bereits an einigen Stationen die Warnschwelle erreicht hat, ab der angenommen wird, dass Allergiesymptome ausgelöst werden können, hat sich nun auch Alternaria auf den Weg gemacht. Die Konzentrationen von Alternaria-Sporen in der Außenluft steuern nun rasch auf die Warnschwelle zu, die in den kommenden Tagen regional überschritten wird. Pleospora und Epicoccum bleiben in den kommenden Tagen meist unauffällig bzw. belasten nur gering.
Matthias Werchan, 23.06.2021
*** Wir danken der AstraZeneca GmbH und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Gräser, des Roggens und des Beifußes für Deutschland finden Sie hier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Gräser und des Beifußes in der Luft in Europa finden Sie hier.
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