Gräserblüte gewinnt im Westen und Süden an Relevanz.
Die letzten Tage sorgten endlich mal wieder für Abwechslung in der Wetterküche, sprich für ein Auf und Ab der Temperaturen, Sonne, Wolken und sogar Regenfälle – welch ein Segen für die Natur und den ein oder anderen Allergiker. Pollensaisonal saß Deutschland sprichwörtlich zwischen den Stühlen einer langsam nachlassenden Baumblüte und einer langsam auflebenden Gräserblüte. Besonders die diesjährige Birken- und Eschenblüte ging nun endgültig den Weg alles Irdischen und belästigte tageweise allenfalls noch Pollinotiker im äußersten Nordosten des Landes und in den höheren Lagen der Gebirge. Dominant in der Luft waren in weiten Teilen Deutschlands nach wie vor die Pollen der Eiche. Je nach Region gab es größere Pollenstaub-Unterstützung mal von der Buche, mal von der Fichte oder auch mal von beiden. An trockenen Tagen stiegen vor allem im Westen und Süden die Gräser in den Ring und belasteten hier bereits mäßig. Nordöstlich der Elbe blieb es weitegehend bei niedrigen bzw. sporadischen Belastungen. Die zum nächsten Montag anstehenden Eisheiligen machen ihren Namen alle Ehre und bescheren dem Vorhersageraum einen veritablen Kälterückfall. Vorher geht es allerdings frühlingshaft und mild zu, so dass die höheren Pollenkonzentrationen eher in der ersten Hälfte der Vorhersagewoche – also bis zum Sonntag – auftreten, als in der zweiten Hälfte.
Nachdem nun allerhand Feuchtigkeit die darbende Grasnarbe erreicht hat, können die (Süß-)Gräser (Poaceae) bis zum Sonntag in zunehmend milderer Luft einiges an Pollen ansetzen und diese, sofern ein stärkeres Lüftchen weht, ihrem Zweck folgend in der Luft verteilen. Dabei dürften die Bewohner des Westens, Südwestens und Südens am stärksten vom Anschwellen der Gräserblüte gebeutelt werden. Das mittlere Belastungsniveau sollte hier in den tieferen Lagen nach ein paar trockenwarmen Tagen fast überall spielend erreicht werden, erste hohe Belastungen sind regional ebenfalls denkbar. Die seit dem Spätwinter bestehenden Entwicklungsunterschiede der Vegetation zwischen Südwest und Nordost gewähren den Gräserpollenallergikern nordöstlich einer Linie vom Emsland bis zum Fichtelgebirge einen nochmaligen Aufschub. Allenfalls sind an thermisch begünstigten Standorten mittlere Belastungen zu erwarten, sonst bleibt es meist bei geringem Pollenflug und nur schwachen Belastungen. Das Durchqueren unbewirtschafteten Grünlands und ungemähter Wiesen sollten Gräserpollenallergiker ab sofort aber möglichst überall vermeiden.
Birken- (Betula) und Eschenpollen (Fraxinus) sind auch in den kommenden Tagen weiter im Luftstaub vertreten. Bei der Birke stammen diese allergologisch wenig bedeutsamen Pollenmengen besonders von Blühnachzüglern aus höheren Gebirgslagen (bis zum Sonntag) und aus Ferntransporten aus dem Norden Europas (ab Montag). Bei der Esche sind es vorwiegend die Pollen der nichtheimischen, wärmeliebenden Blumenesche (F. ornus), die schwache Reizungen im Umfeld dieser weiß blühenden Bäume auslösen können. Von der heimischen Esche (F. excelsior) findet sich dagegen kaum noch ein Pollenkorn in der Luft.
Abhängig davon, wo man sich in Deutschland befindet, geht es bei der Eichenblüte (Quercus) entweder gerade erst richtig los (ganz im Norden und Nordosten), steckt man mittendrin (zentrale Landesteile und untere Mittelgebirgslagen) oder sieht man schon die Nachblüte am Baum hängen (Rheinland). Daher ist die Tendenz im Pollenflug eindeutig „dreideutig“. Einer sich, von ehemalig beachtlichen Höchstständen immer weiter verabschiedenden Blüte im Westen und Südwesten, steht eine noch etwas anschwellende Blüte in den kühlsten Gegenden des norddeutschen Tieflands entgegen. Dem „Niemandsland“ dazwischen lässt sich keine eindeutige Tendenz zuweisen. Noch einmal sei darauf hingewiesen, dass die Eichen dieses Jahr überall stark stäuben, worauf sowohl Hasel- und Erlen-, als auch Birkenpollenallergiker mit Allergiesymptomen reagiert haben können. Einige wenige Messstationen meldeten auch eine starke (Rot-)Buchenblüte (Fagus), etwa in den zentralen Landesteilen und an der Ostseeküste. In den restlichen Gebieten verläuft die Buchensaison unauffällig. Hier wie dort nähert sich die Blüte allmählich ihrem Ende entgegen, oder ist bereits gänzlich vorbei (Rheinland). Die Tendenz ist also überall südwärts gerichtet.
Die Platanenblüte (Platanus) hat an den allermeisten Messstellen bereits deutlich nachgelassen und geht ihrem Ende entgegen. Einzig im Küstenumfeld ist die Pollenflugtendenz anfangs noch seitwärts gerichtet, wird nachfolgend aber auch hier schnell durchgewunken. Die auffällige Blüte der Rosskastanie (Aesculus) hält dagegen noch an, führt im Umfeld der Bäume zu schwachem bis mäßigen Konzentrationen an Kastanienpollen. Beiden Pollenarten wird ein allergenes Potential bescheinigt, wobei die Platane mit ihrer höheren Pollenlast mehr Relevanz für Allergiker hat.
Als potente Pollenproduzenten der frühjährlichen Baumblüte gelten auch die heimischen Koniferen-Gattungen Fichte (Picea), Tanne (Abies) und Kiefer (Pinus). Die Intensität des Pollenflugs ist dabei von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Aktuell gibt es noch zu viele Unschärfen, um verlässliche Aussagen über die Stärke der diesjährigen Saison zu treffen. So oder so droht Pollenallergikern von den drei genannten Baumgattungen keine Gefahr. Eine dicke Wachschicht umhüllt die Pollenkörner und hindert sie beim Auftreffen auf die menschlichen Schleimhäute am Platzen. Etwaige Allergene im Pollenkorninneren haben somit keine Chance abgegeben zu werden. In Jahren mit einer intensiven Fichten- bzw. Kiefernblüte zeigt sich die verschwenderische Fülle der Natur als gelber Sedimentschleier, der besonders auf glatten Flächen und Gewässeroberflächen sichtbar wird. Etwaige Irritationen in den Augen oder der Nase sind durch eine Fremdkörperwirkung erklärbar, die mit der abgestoßenen Pollenmenge und der beachtlichen Größe der Pollenkörner zu tun hat. Die Fichtenblüte hat bereits im ganzen Land Einzug gehalten und arbeitet sich aktuell die Berge hinauf, wo die größten Fichtenbestände verortet sind. Die Tendenz geht bei Pollenflug in den kommenden Tagen daher eher seitwärts. Tannen spielen aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Verbreitung nur eine untergeordnete Rolle in der Sedimentfracht und dann auch vornehmlich innerhalb bergiger Regionen. Kiefern findet man häufiger im Tiefland und hier vor allem im kontinentaleren Osten des Landes. Der Beginn der Kieferblüte steht hier noch bevor, allenfalls einzelne Bäume stoßen bereits Pollen aus, während im Westen, Süden und in der Mitte die Bäume schon etwas weiter sind und in die Vollblüte übergehen bzw. sich in dieser befinden.
Der gelbe Glanz der unzähligen Rapsblüten (Brassica) auf den Feldern in unserer Landschaft vergeht nur langsam. Weiterhin stehen dem vorhandenen Meer an Blüten nur vergleichsweise wenige umherfliegende Rapspollen in der Luft gegenüber, da sich der Raps auf die Insektenbestäubung spezialisiert hat. In der Nähe der Felder können die allergenen Rapspollen jedoch in solchen Konzentrationen auftreten, dass Betroffene (deutliche) Allergiesymptome verspüren. Die Pollenkonzentrationen gehen mit dem allmählichen Abblühen der ersten Felder Schritt für Schritt zurück.
Die Kräuterblüte von Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) hat eingesetzt. Diese beiden Gattungen bringen bis in den Spätsommer hinein, auch nach mehrfacher Mahd, immer wieder neue Blüten hervor, so dass man ab jetzt für lange Zeit mit der Präsenz von Ampfer- und Wegerichpollen in der Luft rechnen muss. Insbesondere Wegerichpollen wird eine allergologische Relevanz für Gräserpollenallergiker zugesprochen. Die Pollenkonzentrationen sind bisher noch recht überschaubar und dürften allenfalls für schwache Reizungen gesorgt haben. Die Tendenz beim Flug der beiden Pollenarten ist über die nächsten Wochen zunehmend, ohne dass jemals flächendeckend hohe Konzentrationen erreicht werden.
Weitere Pollenarten, die in der aktuellen Vorhersagewoche in kleiner, teils zunehmender, teils abnehmender Zahl messbar sein können, stammen insbesondere von der Familie der Zypressengewächse (Cupressaceae), der Sauergräser (Cyperaceae), der Rosengewächse (Rosaceae) und der Binsengewächse (Juncaceae), von der Walnuss (Juglans), der Lärche/Douglasie (Larix/Pseudotsuga), der Erle (Alnus), dem Ahorn (Acer), dem Maulbeerbaum (Morus), dem Ginkgo (Ginkgo), dem Sanddorn (Hippophae), dem Spierstrauch (Spirea), der Weide (Salix), dem Holunder (Sambucus) und der Brennnessel (Urtica).
Die Sporenzahl der von unseren Messstellen erfassten, bedeutsamen allergenen Schimmelpilzsporengattungen (Alternaria, Cladosporium, Epicoccum und Pleospora) ist noch immer recht überschaubar. Der Flug von Pleospora hatte sich zuletzt wieder etwas verstärkt. Tendenziell nimmt die Sporenbelastung von Alternaria und Cladosporium ab etwa Ende Juni warnrelevante Dimensionen an.
Matthias Werchan, 05.05.2020
*** Wir danken der Allergopharma GmbH & Co. KG, der AstraZeneca GmbH und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Esche, der Birke und der Gräser für Deutschland finden Sie hier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Erle, der Birke und der Gräser in der Luft in Europa finden Sie hier.
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