Volle Kanne Gräserpollen – Zeit der Spitzenkonzentrationen!
Alle Freunde sonnenscheinreichen und warmen Sommerwetters sind in den letzten Tagen vor allem nordöstlich der Elbe voll auf ihre Kosten gekommen. Im Zuge dessen holten in diesen Gebieten die Gräser ihren Entwicklungsrückstand innerhalb kürzester Zeit auf und „rannten“ mit ihren Pollen förmlich den Belastungsgipfel hinauf. Seit Tagen gibt es hier anhalten hohe Konzentrationen an Gräserpollen, garniert mit Pollen der Kulturgräser (Roggen!), sowie Pollen der Kräuter, Marke: Ampfer, Wegerich und zunehmend Brennnessel/Glaskraut, sowie weiterhin (aber abnehmend) viel Kiefernpollen. Im restlichen Teil des Landes zogen dagegen in den vergangenen Tagen bei gedämpften Temperaturen vor allem nachmittags immer wieder heftige Schauer und Gewitter auf. Entsprechend fluktuierten die Belastungen mit Gräserpollen innerhalb eines Tages und zwischen den einzelnen Tagen, sodass die Gräserpollenallergiker zwar nicht leer ausgingen, aber nur hin und wieder mit hohen Belastungen zu kämpfen hatten.
Für die aktuelle Vorhersageperiode signalisieren die Wettermodelle meist sonniges und trockenes Wetter für alle, zumindest für ein paar Tage. Für Gräserpollenallergiker kommt diese Wetterlage zur Unzeit.
Die kommenden Tage stehen ganz im Zeichen der Gräser (Poaceae). Eine große Zahl verschiedener Arten blüht nun gleichzeitig. Dazu gehören auch zahlreiche Gräserarten mit veritabler Pollenproduktion, wie Glatthafer (Arrhenatherum), Knaulgras (Dactylis) oder Wiesenschwingel (Festuca). Hohe Pollenbelastungen drängen sich den Betroffenen daher in allen Regionen des Landes auf. Dabei sind vielerorts saisonale Spitzenkonzentrationen zu erwarten! Etwas in ihrer Menge gemäßigt ist die allergene Pollenfracht im Inneren größerer, geschlossener Waldgebiete, in den versiegelten Zentren großer Städte, an den Küsten bei Seewind und in den Hochlagen der Gebirge oberhalb von 1.500 m NN. Neben den Wildgräsern sind dazu noch die in Blüte stehenden Felder der Kulturgräser Gräserpollenallergiker-wirksam. Allen voran der Roggen (Secale) vergrößert die für Gräserpollenallergiker relevante Pollenfracht derzeit zusätzlich. Die Pollen der Kulturgräser sind zwar genauso allergen, wie andere Gräserpollen auch, in der Regel jedoch recht groß, so dass deren Ausbreitungsvermögen limitiert ist. Sehr hohe Pollenkonzentrationen sind auf der windabgewandten Seite blühender Getreidefelder möglich, während umgebenden Regionen deutlich weniger zufliegt. An unserer Messstelle im Berliner Stadtzentrum haben die Roggenpollen während der Hauptblütezeit beispielsweise einen Anteil von 5-10 % an der Gesamtfracht der Gräserpollen.
Ordentlich ins Kraut geschossen sind während der zurückliegenden Tage Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago). Dementsprechend wird nun in den meisten Regionen (außer Küstengebiete und Hochgebirge) bereits das sommerliche Plateau im Pollenflug erreicht. Konkret bedeutet das, dass sich die Pollenkonzentrationen dieser beiden Kräutergattungen in den nächsten Tagen und Wochen, je nach umgebender Landnutzung und Wetterlage auf etwa gleichem bzw. gleichbleibendem Niveau bewegen. Dabei werden geringe bis mäßige Pollenkonzentrationen erwartet. Auf oder an ungemähten oder wenig bewirtschafteten Wiesen und Rainen, den Hauptquellen dieser beiden Pollentypen, kann der Pollenflug dementsprechend stärker ausfallen, wobei dann insbesondere der Wegerich Gräserpollenallergikern Probleme machen kann (Kreuzreaktionen möglich).
Die Brennnesselgewächse (Urticaceae) werden durch die Sommerwärme ebenfalls belebt. Deren Pollen setzten in den kommenden Tagen bereits zum Überholmanöver an und agieren bei den Kräutern fortan in die Pole-Position – die Tendenz ist also klar aufwärtsgerichtet. Zu den Brennnesselgewächsen gehören nicht nur die weit verbreiten und allseits bekannten Brennnesseln (Urtica), sondern auch die Glaskräuter (Parietaria). Letztere sind in ihrer Heimat (Mittelmeerraum) bedeutsame Allergieverursacher. Hierzulande machen es sich die wärmeliebenden Glaskräuter insbesondere innerhalb oder am Rande städtischen Wärmeinseln oder ähnlich wärmebegünstigten Orten (zunehmend) bequem. Glaskrautpollen sind daher beispielsweise in Großstädten wie Berlin ein möglicher Grund für Allergiesymptome in den kommenden Wochen.
Von den Bäumen sieht man in den nächsten Tagen nicht mehr viel Blütenstaub. Die Pollen der allergologisch harmlosen Kiefer (Pinus) haben in den Tieflagen ihre jährliche Bestäubungsleistung mehrheitlich erbracht und die Konzentrationen nehmen weiter ab. In den mittleren und höheren Berglagen steuern die dortigen Bäume noch etwas Pollen bei, wodurch hier die insgesamt höchsten Pollenkonzentrationen zu erwarten sind. Neu auf der saisonalen Pollenflugagenda der Bäume sind sowohl die mehrheitlich auf Insektenbestäubung setzende Linde (Tilia) als auch der ebenfalls mehrheitlich insektenbestäubte Götterbaum (Ailanthus), welcher zusätzlich noch den Titel „invasiver Neophyt“ trägt. Die freigesetzte Pollenmenge beider Baumarten ist klein im Verhältnis zu der der Kiefer, etwa vergleichbar mit Ulme oder Weide. Es sind allerdings im Gegensatz zur Kiefer Sensibilisierungen und allergische Symptome möglich, die zu dieser Jahreszeit leicht den Gräsern „in die Schuhe geschoben“ werden können. In den kommenden Tagen beginnt jedenfalls an wärmen Standorten die Blütezeit von Linde und Götterbaum mit ersten geringen Pollenkonzentrationen in der Luft. Während die Linde in Deutschland weit verbreitet vorkommt und man ihren Pollen förmlich überall begegnen kann, ist der wärmebedürftige Götterbaum in seinen Ausbreitungsbestrebungen bisher nur wenig über die Grenzen unserer Städte hinausgekommen und der Pollenflug (sofern vorkommend) damit ein lokales Thema für Städter. Die Blüte der Esskastanie (Castanea) setzt ebenfalls ein. Die Esskastanie ist Teil der Ordnung Buchenartige (Fagales), wozu u.a. auch Birken, Haseln, Rotbuchen und Eichen gehören. Deswegen kann Esskastanienpollen gelegentlich zu schwachen Reaktionen bei Birkenpollenallergikern führen. Allerdings ist die Pollenzahl hierzulande im Vergleich zur Pollenzahl der Birke verschwindend gering, da Esskastanien nur in wenigen, meist kleinen Anpflanzungen oder selten wild vorkommen. In der Nähe zu blühenden Bäumen oder tageweise durch Ferntransporte aus der Mittelmeerregion können die Pollenkonzentrationen (teilweise sprunghaft) hohe Werte erreichen, ansonsten bleibt der Pollenflug schwach oder, wie jetzt zu Saisonbeginn, sporadisch.
Holunderpollen (Sambucus) können einen Einfluss auf Pollenallergiker haben. Der in der Fläche meist schwache Pollenflug steigert sich in der Nähe zu blühenden Büschen bis auf ein hohes Niveau. In den kommenden Tagen sind in allen Landesteilen die großen weißen und duftenden Blütendolden dieser weit verbreiteten Art zu sehen, bzw. nicht zu übersehen (Hauptblütezeit).
Die Rapsblüte (Brassica) ist bis auf vereinzelte Restbestände im höheren Berglagen beendet. Damit hat Rapspollen keine allergologische Relevanz mehr. Andere Kreuzblütler (Brassicaceae) blühen zwar weiterhin, bringen aber keinen substanziellen Pollenflug zustande.
Weitere Pollentypen die aktuell in mengenmäßig kleiner, teils zunehmender, teils abnehmender Zahl messbar sein können, gehören zu Birke (Betula), Doldenblütlern (Apiaceae), Eiche, (Quercus), Fichte (Picea), Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae), Korbblütlern (Asteraceae), Liguster (Ligustrum), Mädesüß (Filipendula), Robinie (Robinia), Rosengewächsen (Rosaceae), Rosskastanie (Aesculus), Sauergräsern (Cyperaceae), Walnuss (Juglans) und Zypressengewächsen (Cupressaceae). Die Erle (Alnus) ist weiterhin in den Höhenlagen der Alpen und des Schwarzwalds mit der Blüte der Grünerle (A. viridis) aktiv. Das kleine Comeback ist meist mit lokalem Erlenpollenflug, nebst entsprechendem Allergierisiko verbunden.
Vermutlich überschreitet Cladosporium unter den von uns erfassten Typen allergener Schimmelpilz-Sporen in den kommenden Tagen erstmals in diesem Jahr regional die Warnschwelle, ab der angenommen wird, dass Allergiesymptome ausgelöst werden. Bei Alternaria wird diese Schwelle bis zum Ende der aktuellen Vorhersageperiode weiterhin noch nicht geknackt, gleichwohl steigen die Konzentrationen langsam an. Pleospora und Epicoccum bleiben allergologisch unbedeutend.
Matthias Werchan, 09.06.2021
*** Wir danken der AstraZeneca GmbH und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Gräser und des Roggens für Deutschland finden Sie hier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Gräser in der Luft in Europa finden Sie hier.
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