Gräserblüte schreitet voran - Pollenzahlen steigen an.
Während der Osten und Norden Deutschlands in den vergangenen Tagen für kurze Zeit Sommerluft schnuppern durften, blieb es im großen Rest des Landes eher unbeständig und kühl mit häufigen Regenfällen. In der Folge war die Pollenbelastung – vereinfacht gesagt – im Norden höher als im Süden des Landes. Gleichzeitig ist die Auswahl bedeutender allergener Pollen in der Luft deutlich geschrumpft und wird aktuell mehrheitlich durch eine einzige Pflanzenfamilie bekleidet, die der (Süß-)Gräser (Poaceae). Vor allem in den Niederungen der witterungsmäßig bevorzugten Nordhälfte konnten die Gräser nun „zulegen“ und belasteten die Luft bei sonnigem Wetter bereits mäßig mit ihren Pollen. Außerhalb großer Städte waren teils auch schon hohe Belastungen messbar. Dieser Aufwärtstrend hält in den kommenden Tagen weiter an. Die Gräserpollenkonzentrationen steigen mit der immer größer werdenden Zahl gleichzeitig blühender Gräserarten. Zuflucht finden Betroffene noch in den Hochlagen der Gebirge oberhalb von 1000 m NN. Hier setzt die Gräserblüte gerade erst ein. Bei Seewind sind auch die Küsten von Nord- und Ostsee eine gute Wahl. Das Innere dichter Waldgebiete und die Zentren größerer Städte mit ihrem hohen Anteil versiegelter Flächen und häufig gemähten Grünflächen sind zumindest weniger stark belastet, als ländliche Gebiete mit ausgedehntem Grünland. Der Moment der Grünlandmahd bringt dabei – ganz lokal – die stärksten Belastungen hervor, da die Gräserpollen aus Ihren Blüten gerüttelt und in der Umgebung verteilt werden. Zusätzlich zu den Wildgräsern hat das Kulturgras Roggen (Secale) zu blühen begonnen und belastet Gräserpollenallergiker. Generell beschränkt die Größe von Roggenpollen deren Transportvermögen durch die Luft, so dass sich hohe Pollenkonzentrationen meist auf die windabgewandte Seite von Roggenfeldern beschränken, während den umgebenden Regionen deutlich weniger zufliegt.
An windblütigen Wiesenkräutern sind Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) hervorzuheben, die im Tiefland in zunehmenden Maße blühen und für leichten, örtlich auch mäßigen Pollenflug sorgen. Wegerichpollen gilt als kreuzreaktiv zu Gräserpollen und kann daher entsprechend Sensibilisierte zusätzlich reizen. An Ruderalstandorten gedeiht die Brennnessel (Urtica). Bisher blühen nur wenige Exemplare. Entsprechend sind nur sehr geringe Konzentrationen an Brennnesselpollen in der Luft. Erst ab Juli startet die Saison für gewöhnlich durch.
Die Rapsblüte (Brassica napus) geht im Tiefland in den nächsten Tagen schrittweise zu Ende. Nur ganz im Norden und auf den Anbauflächen der mittleren Höhenlagen behalten die Pflanzen noch ihr gelbes Blütenkleid wodurch hier in unmittelbarer Feldumgebung allergieauslösende Rapspollen in messbarer Zahl in der Luft sein können. Ansonsten spielt Rapspollen keine Rolle mehr.
An Baumpollen dominieren derzeit vor allem die Pollen von Kiefern (Pinus), in den Hochlagen zusätzlich die der Fichte (Picea). Die Blüte der Kiefern und Fichten verläuft in diesem Jahr unterdurchschnittlich. Nur schwach sichtbar bleibt daher das Phänomen des „Schwefelregens“, welches in den beiden Vorjahren in Verbindung mit einer starken Blühsaison noch für allgemeines Aufsehen gesorgt hatte Hier. Eine allergologische Bedeutung kommt den beiden genannten Koniferen-Gattungen nicht zu. Allergologisch auffälligere Baumpollen sind derzeit fast nicht mehr messbar. Neben schwachen Belastungen durch eine immer geringer werdende Zahl von Eichenpollen (Quercus), sind letzte Rosskastanienpollen (Aesculus) unterwegs, mehrheitlich beschränkt auf die Umgebung noch blühender Bäume. Eichenpollen gelten als allergologisch kreuzreaktiv zur Birke. Pollen der Rosskastanie wird ein gewisses Sensibilisierungsrisiko zugesprochen.
Auch Holunderpollen (Sambucus) wird eine gewisse allergologische Potenz zugeschrieben. Den großen weißen Blütendolden der Holderbüsche entweichen, trotz überwiegender Insektenbestäubung, auch mit dem Wind eine gewisse Anzahl der kleinen Holunderpollen. In der näheren Umgebung blühender Büsche sind daher vergleichsweise hohe Pollenkonzentrationen zu erwarten, ansonsten kommt es zumindest zu schwachem, unstetem Pollenflug.
Weitere Pollenarten die noch, bereits oder weiter in kleiner Menge messbar sind, gehören vor allem zu Birke (Betula), Walnuss (Juglans), Ahorn (Acer), Liguster (Ligustrum), zu Zypressengewächsen (Cupressaceae), Rosengewächsen (Rosaceae), Sauergräsern (Cyperaceae), Doldenblütlern (Apiaceae) und Binsengewächsen (Juncaceae). In den Alpenregionen führt die Blüte die dortigen Grünerlenbestände (Alnus viridis) zu Belastungen mit Erlenpollen, die lokal spürbar sein können.
Die Sporenzahl der beiden allergologisch wichtigen Gattungen Alternaria und Cladosporium ist zuletzt angestiegen. Mit einer allmählich weiteren Zunahme der Konzentrationen ist zu rechnen. Ein allergologisches Risiko kann nun nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Hauptbelastungsmonate mit den genannten Sporengattungen sind der Juli und der August.
Matthias Werchan, 22.05.2019
Medizinische Hinweise (Prof. Dr. Karl-Christian Bergmann):
Nun kommen also die Gräserpollen, von denen wir wissen, dass sie die häufigste Ursache einer Sensibilisierung unter der deutschen erwachsenen Bevölkerung sind. 18,1% der Bevölkerung sind sensibilisiert auf die verschiedenen Gräserpollen, damit ist die Frequenz höher als bei dem zweithäufigsten Allergen, dem Birkenpollen. Diese führt bei 17,4% der Bevölkerung zu IgE-Antikörpern (siehe Haftenberger M. et al.: Prävalenz von Sensibilisierungen...im: Bundesgesundheitsbl. 2013; 56:687–697).
Dabei kommen die Gräser in verschiedenen Schüben daher. Die Pollen der vielen verschiedenen Arten sind unter dem Mikroskop auch von den erfahrensten Analytikern nicht differenzierbar, aber die Gräserarten haben unterschiedliche Perioden, in denen sie ihre Pollen freisetzen. Poa pratensis (Wiesen-Rispengras) und Dactylis glomerata (Gewöhnliches Knäuelgras) setzen ihre Pollen deutlich früher frei als etwa Phleum pratense (Wiesen-Lieschgras) und es ist nicht so, dass die Pollen der verschiedenen Gräserarten alle die gleiche allergene Wirkung haben, wie wir es in einer Studie in unserer Expositionskammer gezeigt haben (Kmenta M. et al.: The grass pollen season 2015: a multi-approach study in three different European cities). Daher können auch im Verlauf einer Gräserpollensaison beim Einzelnen durchaus unterschiedlich starke Symptome bei einer etwa gleichstarken Häufigkeit von Gräserpollen/m³ Luft auftreten. Roggenpollen werden in den kommenden Wochen auch verstärkt fliegen – aber sie haben im Grunde keine bedeutende Rolle mehr im allergologischen Geschehen in Deutschland. Es sind meist nur wenige Pollen vom Roggen in der Luft. Allerdings sind sie stark kreuzreagierend mit den Gräserpollen und werden deshalb im Pricktest positiv. Roggenpollen muss im Standardpricktest nicht mehr getestet werden; ebenso verwenden wir ja auch kein Gemisch von Gräser- und Roggenpollen mehr für die Immuntherapie.
*** Diese Wochenpollenvorhersage trägt den Namen unserer FSJ-lerin Hannah, der wir damit ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren! Alle Gute liebe Hannah! ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Birke und der Gräser für Deutschland finden Sie hier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Birke und der Gräser in der Luft in Europa finden Sie hier.
Für die Anmeldung unseres wöchentliches Newsletters schreiben Sie bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Anmeldung des PID Newsletters“ an barbora.werchan[at]charite.de Dankeschön!