Gräserblüte erlahmt zusehends – Schimmelpilzsporen weiter sehr zahlreich!
Der, man könnte sagen: „Sommer wie er früher einmal war“ – mal wechselhaft und kühl, mal sonnig und warm – setzte sich in den vergangenen Tagen fort. Ihm folgten auch die gemessenen Pollenkonzentrationen auf meist unspektakulären, ruhigen und erwartungsgemäßen Bahnen eines mitteleuropäischen Sommers. Die Gräserpollenkonzentrationen nahmen selbst an trockenen und sonnigen Tagen allmählich weiter ab. Im Norden und im (höheren) Bergland hielten sich an einzelnen Tagen noch hohe Konzentrationen, häufig blieb es allerdings bei einem nur noch mäßigen Konzentrations- und damit Belastungsniveau. Lokal höhere Belastungen durch Gräserpollen mögen in der Nähe zu aktiven Pollenquellen eingetreten sein. Diese können von unserem Messnetz aber nur unzureichend abgebildet werden. Mittlerweile geben vielerorts im Land die Pollen der Brennnesselgewächse den Ton an, obwohl deren Zahl in den letzten Tagen zumindest vorerst „eingefroren“ ist. Der Flug von Schimmelpilzsporen, insbesondere der von Alternaria, hat sich dagegen an den meisten Messstationen weiter intensiviert.
Das Potential der Gräser (Poaceae) hohe Belastungen auf großer Fläche hervorzurufen, hat sich mehr oder weniger erschöpft. Bis zum Wochenende sind – dem Regen und der kühlen Luft geschuldet – eher schwache bis mäßige Belastungen mit Gräserpollen zu erwarten, denn hohe. Mit Beginn der neuen Woche steht ein sommerlicherer Witterungsabschnitt an, wobei dann in grünlandreichen Berglagen (Mittelgebirge und Alpen) und im klimatisch kühleren Norden und Osten nochmals hohe Belastungen auf dem Programm stehen können. Meistenteils pendeln sich die Werte auf einem mittleren Konzentrationsniveau und bezwingen nur selten die hohe Belastungsschwelle. Wie in der Einleitung angedeutet, sind lokal, bzw. punktuell an Weg-, Wald- und Grabenrändern oder an/in unbewirtschaftetem Grünland überall im Land noch hohe Pollenkonzentrationen möglich, die allerdings messtechnisch nicht erfasst werden.
Meist im Grünland aber auch auf Wegen und in Brachen halten sich Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) bevorzugt auf und verteilen von dort ihre Pollen in recht konstanter Zahl. Auch nach einer Mahd treiben diese beiden Kräutergattungen bis in den Spätsommer hinein immer wieder neue Blüten, so dass der Pollenflug auch in den nächsten Tagen unvermindert anhält, wobei ein schwaches bis mäßiges Konzentrationsniveau erreicht wird. Wegerichpollen enthält bekannte Allergene, die allergische Reaktionen auslösen können. Diese Reaktionen können leicht als Gräserpollenallergie interpretiert werden, aufgrund der sehr ähnlichen Blühzeit der beiden Pflanzenfamilien. Kreuzreaktionen zur Gräserpollen sind ebenfalls möglich. Da Ampfer und Wegerich sehr weit verbreitet sind, trifft man quasi überall auf deren Pollen, auch wenn diese nicht so hochdosiert auftreten, wie Gräser- oder Brennnesselpollen.
Beim allergenen Beifuß (Artemisia) messen wir im Land weiterhin nur schwachen Pollenflug. Allzu viel kommt in den nächsten Tagen noch nicht hinzu. Allerdings sind besonders in den Morgen- und Vormittagsstunden immer stetiger Beifußpollen in der Luft und führen zu schwachen vereinzelt auch schon zu mäßigen Belastungen. In der Nähe zu ausgedehnten Beifußansammlungen können die Belastungen punktuell bereits deutlich stärker ausfallen. Beifuß wächst bevorzugt in Ruderal- und Unkrautfluren, auf Ackerbrachen, Halden oder an Wegrändern, sowohl auf dem Land als auch inmitten großer Städte. In höheren Berglagen ist der Beifuß noch nicht blühbereit, Pollenflug dementsprechend nicht zu befürchten.
Dem Beifuß in der Blüte etwas voraus und damit auch mit bereits mehr Pollen in der Luft vertreten, sind die Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae/Amaranthaceae). Gänsefußgewächse besiedeln ähnliche Standorte wie der Beifuß, sind aber bei uns weniger als Allergieverursacher bekannt als der Beifuß. Die Pollen mancher Arten der Gänsefußgewächse rufen jedoch Symptome bei Pollenallergikern hervor. Insbesondere in ariden Gebieten (z.B. Südeuropa, Mittlerer Osten) spielen Allergien gegen Gänsefußgewächse eine (größere) Rolle. Bei uns im Land ist der Einfluss, den diese Gewächse auf Pollenallergiker haben, sicherlich geringer, aber vorhanden. Daher sollten Betroffene die unmittelbare Nähe zu den hochwachsenden Stauden der Gänsefußgewächse, insbesondere von Melde (Atriplex) und Gänsefuß (Chenopodium) meiden. In der Umgebung dieser Pflanzen können die Pollenkonzentrationen das an unseren Messstellen ermittelte Konzentrationsniveau um ein Vielfaches übersteigen. Vereinzelt fliegen Pollen aus der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae), meistenteils vom Hanf (Cannabis) und noch nicht vom Hopfen(Humulus).
Nahezu überall trifft man nun auf blühende Pflanzen der Brennnesselgewächse, wobei hier vor allem die allergologisch recht unauffällige Brennnessel (Urtica) gemeint ist. Auf das zur gleichen Familie gehörende, aber als (sehr) allergen eingestufte Glaskraut (Parietaria) trifft man bei uns mehrheitlich in den Zentren und an den Rändern städtischer Wärmeinseln oder in anderen wärmebegünstigten Gegenden. An diesen Orten mischen sich die Pollen der beiden Gattungen. Der Anteil an Glaskrautpollen in der Luft kann allerdings nur vage anhand der Größe der Vorkommen dieser Gattung geschätzt werden. Eine Differenzierbarkeit am Mikroskop ist nicht möglich. Nach der letztwöchigen Stagnation im Pollenflug der Brennnesselgewächse, wird dieser mit der Rückkehr des Sommerwetters wiederaufleben und sich weiter intensivieren, die alljährlichen Höchststände bereits im Blick.
Noch immer finden sich Baumpollen in der Luft, vor allem von Linde (Tilia), Esskastanie (Castanea). Letzte Exemplare des noch im Juni sehr aktiven Götterbaums (Ailanthus) blühen vereinzelt an kühlen Standorten, entsprechend sind höchstens sporadisch Götterbaumpollen in der Luft. Esskastanien- und Lindenpollen können regelmäßiger angetroffen werden. Allerdings ist hier ebenfalls der Wendepunkt erreicht und die Pollenkonzentrationen gehen zurück.
Weitere Pollenarten, die in der aktuellen Vorhersagewoche in kleiner, teils zunehmender, teils abnehmender Zahl messbar sein können, stammen insbesondere von diversen insektenbestäubten Kräuterfamilien, wie den Doldenblütlern (Apiaceae), den Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae), diversen Korbblütlern (Asteraceae), oder Arten wie dem Natternkopf (Echium), dem Mädesüß (Filipendula) oder dem Büschelschön (Phacelia). Vereinzelt sind Pollen der Zypressengewächse (Cupressaceae), der Sauergräser (Cyperaceae) und vom Holunder (Sambucus) messbar. In den Alpenregionen kann stellenweise die Latschenkiefer (Pinus mugo) in den Hochlagen blühen, ohne Einfluss auf Allergiker.
Seit dem Beginn der Getreideernte vor ca. 14 Tagen sind Schimmelpilzsporen-Allergiker häufig mit hohen Sporenbelastungen in der Außenluft konfrontiert. Die beiden von unseren Messstellen erfassten, allergologisch bedeutsamen Sporengattungen Alternaria und Cladosporium belasten auch bis zum Ende des aktuellen Vorhersagezeitraums die Außenluft in weiten Teilen Deutschlands teils sehr stark. Die Sporenkonzentrationen können dabei größeren Schwankungen unterliegen je nach aktueller Bewirtschaftungsintensität der Agrarflächen in der Umgebung. In den Höhenlagen der Berge, in waldreichen Gegenden und an den Küsten bei Seewind sind die Belastungen schwächer. Die allergologisch ebenfalls relevante Sporengattung Epicoccum ist deutlich! weniger häufig anzutreffen, verzeichnet aber eine gewisse Aufwärtstendenz. Pleospora sind in nur sehr geringer Konzentration vertreten und damit vernachlässigbar.
Matthias Werchan, 08.07.2020
Ärztliche Hinweise (Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann)
Die aktuelle Vorhersage informiert Sie über den Flug der Sporen von Alternaria, der zu den „Schwärzepilzen“ gehört (Melanin färbt die Pilze schwarz). Dieser Schimmelpilz wächst auf verfaulenden Pflanzen und Laub, in den Wohnungen ist er auf altem Obst und Gemüse zu finden, aber auch auf Tapeten und ist damit ein Wandschimmel. Da Alternaria oftmals auf trockenen Pflanzen und Getreide wächst wird er besonders bei der Ernte von Getreide – aber auch beim Rasenmähen im eigenen Garten – freigesetzt. Die Allergene aus Alternaria können einen allergischen Schnupfen auslösen, gerne verbunden mit einer gleichzeitigen Augenentzündung – wichtiger aber ist die Auslösung, Unterhaltung und verstärkende Symptombildung von allergischem Asthma bronchiale. Mehrfach bin ich in den letzten Jahren schon gefragt worden, warum der PID eigentlich nur für Pollen eine Vorhersage durch den DWD unterstützt – es aber keine Vorhersage für Alternaria gibt. Hier möchte ich dazu eine Antwort geben. Rund 9 % der europäischen Bevölkerung haben eine Sensibilisierung und zu einem großen Teil auch eine Allergie gegen Alternaria. Die Menge an Alternaria-Sporen in der Luft ist sicher ein Auslöser von Sensibilisierungen, Erkrankungen und Symptomstärken – aber bisher ist mir keine Publikation bekannt, die einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen Sporenmenge in der Luft und Symptomart und Symptomstärke der Betroffenen mit allergischer Rhinitis und/oder Asthma beschrieben hat.
Warum ist das so? Es besteht das Problem, dass nicht alle Alternaria-Sporen Allergene in gleicher Konzentration besitzen bzw. überhaupt freisetzen – offenbar in Abhängigkeit der Sporenlebensfähigkeit, meteorologischen Bedingungen bzw. Kulturbedingungen. Auch die begleitende Luftqualität spielt bei der Auslösung von Symptomen durch Alternaria-Allergene eine Rolle, wie dies auch bei Birken- und Gräserpollen der Fall ist. Eine Reihe von Kreuzreaktionen der Allergene mehrerer Arten von Schimmelpilzsporen untereinander macht das Problem nicht einfacher. So könnte man zwar versuchen, das Auftreten von Alternaria-Sporen in Deutschland vorher zu sagen, da der PID ja seit vielen Jahren an mehreren Standorten Messungen von Alternaria vornimmt – aber die Vorhersagen würden wenig Aussage haben zu dem Risiko, Symptome durch Alternaria Sporen auszulösen. Die Sporen von Alternaria haben eine ganze Reihe von Allergenen, das Hauptallergen ist das sog. Alt a 1. Hier konnte allerdings gezeigt werden, dass die Konzentration von freiem Alt a 1 in der Luft relativ gut positiv mit Symptomen korreliert – d.h. je mehr freies Allergen in der Luft, je stärker die Symptome der Betroffenen. Allerdings ist die Bestimmung von freiem Alt a 1 in der Luft nicht einfach und würde kosten – und da haben wir ja im Moment ganz andere Sorgen, weltweit.
Also, es gibt noch viel zu tun; bleiben Sie weiter informiert!
*** Wir danken der Allergopharma GmbH & Co. KG, der AstraZeneca GmbH und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Gräser und des Beifußes für Deutschland finden Sie hier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Gräser und des Beifußes in der Luft in Europa finden Sie hier.
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