Gräser verpulvern weiter reichlich Pollen – Konzentrationsgipfel ist aber an vielen Orten überschritten.
Der noch junge Sommer hat sich in den letzten Tagen temperaturmäßig nicht gerade ein Bein ausgerissen. Selbst Bodenfrost war wieder Thema, die berühmte Schafskälte. Regen fiel ungleich verteilt und betraf mehrheitlich den Nordwesten und den Südosten. Bis in die Landesmitte wollten die Niederschläge nicht ziehen. Da oftmals ein merklicher Wind ging, war der Pollenflug in großen Landesteilen nicht ohne. Vor allem die Gräser waren „mit ganzem Herzen dabei“, ihre allergenen Pollen aus den prallen Blütenständen zu schütteln. Blieb es trocken, herrschten „safe“ hohe Belastungen. Saisonale Belastungsspitzen tauchten vor allem in der großen Mitte sehr verbreitet auf. Rekordhohe Pollenkonzentrationen blieben allerdings aus – für die meisten Gräserpollenallergiker dürfte es wohl auch so gereicht haben. Im Südosten, Norden und Nordwesten hatten es die Gräser schwieriger und mussten den häufigeren Regenfällen trotzen, womit dort die Pollenkonzentrationen stärker schwankten und auch mal die Grenze zur hohen Belastung unterschritten. Von den anderen Pollenarten gingen vor allem die Brennnesselgewächse ans Werk und in der breiten (trockenen) Mitte wurden von mehreren Messstationen erstmals in diesem Jahr hohe Pollenkonzentrationen gemeldet, sonst meist mittlere, an regnerischen Tagen auch nur geringe. Ampfer- und Wegerichpollen flogen beständig und je nach örtlichen Gegebenheiten mal schwach, mal mittel. Vereinzelte frühe Beifußpollen tauchten ebenso auf wie erste Pollen der Gänsefußgewächse. Hier und da flogen Hanfpollen, für Hopfen ist es noch zu früh. Den Baumpollenflug bestimmten meist die Linden mit bis zu mittlerem Pollenaufkommen, in Städten kamen Götterbaumpollen hinzu und machten den Linden dort das Feld streitig. Überall nur gering – sofern überhaupt – flogen Pollen der Esskastanie. Die Sporen der Schimmelpilze nahmen angesichts der anhaltenden Junifrische eine eher abwartende Haltung ein. Es gab vereinzelte Überschreitungen der Sporentyp-spezifischen Warnschwelle bei Alternaria und Cladosporium, vor allem landesmittig, aber insgesamt nichts Wildes. Epicoccum legte leicht zu, erreichte teils ein knapp mittleres Konzentrationsniveau.
In den nächsten Tagen könnte der Sommer in Deutschland kurzzeitig und mit Einschränkungen Fuß fassen. Speziell im Osten und Süden sind ab Montag zumindest Sommertage, wenn nicht gar heiße Tage drin. Weiter nach Westen und Norden werden zumindest die Nächte wieder wärmer, Sommertagen bleiben aber rar. Grund sind hier die zyklonalen Gegebenheiten mit häufig durchziehenden Schauern und Gewittern, die es auch mal heftiger rumpeln lassen. Der Pollenflug schlägt in Art und Menge in eine ähnliche Kerbe wie in der Vorwoche. Speziell im bisher nassen Süden hellt sich der Himmel länger auf als zuvor, was dem dortigen Pollenflug zugutekommt.
Wir befinden uns in Deutschland weiterhin in der Hauptblütezeit der Gräser (Poaceae). Auch wenn vielerorts bereits der Zenit überschritten wurde, müssen die Gräser beim Pollenausstoß „nicht aufs Geld schauen“. Es gibt reichlich Arten die mitten in ihrer Blütezeit stecken und an trockenen Tagen die Belastungen hochhalten. Saisonale Spitzenbelastungen sind lokal noch möglich. Vor allem im Süden dürfte es nach den häufigen Regenfällen Nachholbedarf geben. Auch den höheren Lagen der Berge stehen bei trockenem Wetter ansteigende Gräserpollenkonzentrationen ins Haus. Hier setzt die Gräserblüte aufgrund der geringeren Temperaturen phänologisch später ein als im Tiefland. Im Westen und Nordwesten verschaffen häufigere Regenfälle den Betroffenen regional oder lokal Belastungspausen. Die Roggenblüte (Secale) ist überall vorüber. Roggenpollen sind somit kein Ärgernis mehr für Gräserpollenallergiker.
Die Pollenkonzentrationen der Brennnesselgewächse (Urticaceae) sind in den nächsten Tagen in etwa gleichauf mit denen der Gräserpollen. Es kann (speziell im Süden) weitere Zuwächse im Pollenaufkommen geben. Mittlere bis hohe Pollenkonzentrationen sind an trockenen Tagen verbreitet möglich. In den Bergen und an der See sind insgesamt weniger Pollen unterwegs. Zu den Brennnesselgewächsen gehören neben den überall vorkommenden, heimischen Brennnesseln (Urtica) auch die eher mediterran beheimateten Glaskräuter (Parietaria), die sich hierzulande warme Innenstädte oder andere wärmebegünstigte Orte zum Wachsen und zur Ausbreitung aussuchen und die Luft lokal mit ihren Pollen anreichern. Der Anteil, der als (sehr) allergen geltenden Glaskrautpollen in der Luft, kann allerdings nur vage anhand der Größe der Vorkommen geschätzt werden. Eine Differenzierbarkeit zwischen Glaskraut- und Brennnesselpollen ist unter dem Mikroskop nicht möglich. Von Allergien gegen Brennnesselpollen wird ebenfalls berichtet. Trotzdem gelten Brennnesselpollen vielfach als allergologisch unbedeutend bzw. deutlich weniger auffällig als Glaskrautpollen.
Pollen von Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) halten das Niveau der Vorwoche, womit in der Fläche wiederum geringer bis mittlerer Pollenflug auftritt mit punktuell stärkeren Emissionen in verkrauteten Wiesen, Weiden oder Randstreifen.
In den nächsten Tagen sind weiterhin die späten Baumpollen von Linde (Tilia), Götterbaum (Ailanthus) und Esskastanie (Castanea) am Zug. Regional, wie z.B. im warmen Berlin, geht die Blüte des Götterbaums bereits zu Ende, wodurch hier die Intensität des Pollenflug dieser Art von gering auf sporadisch wechselt, bzw. nur punktuelle Standorte mit noch blühenden Exemplaren mit nennenswerten Pollenmengen bedient werden. In den wochenlang kühleren Regionen West- und Süddeutschlands können weiterhin Götterbaumpollen in punktuell mittlerer bis hoher Konzentration fliegen, zumindest dort, wo sich diese Baumart verstärkt etabliert hat. Die Lindenblüte setzt sich landesweit fort. Allerdings sind die Sommerlinden (T. platyphyllos) in den wärmeren Regionen bereits am Ende ihrer Blütezeit angekommen und werden dort von den Winterlinden (T. cordata) abgelöst. Lindenpollen sind somit weiterhin landesweit in der Luft, wobei allgemein geringe bis mittlere Konzentrationen erreicht werden. Im Umfeld großer, voll erblühter Bäume ist der Pollenflug auch stark. Blühende Esskastanien können ihr Umfeld ebenfalls mittel bis stark mit Pollen belasten. Mit südlichen Winden können außerdem Pollen aus den Regionen südlich der Alpen einwandern, wo größere Esskastanienvorkommen lokalisiert sind. Abseits dessen sind Pollen der Esskastanie in geringer Zahl unterwegs. Werden hohe Konzentrationen in der Luft erreicht, sind bei Birkenpollenallergikern allergische Kreuzreaktionen möglich. Lindenpollen kann ebenfalls bei einigen Menschen zu Sensibilisierungen und spürbaren allergischen Symptome führen. Götterbaumpollen gilt ebenfalls als allergen und kann in einigen (seltenen?) Fällen statt Gräserpollen Ursache für Allergiesymptome im Juni sein.
Weitere Pollenarten, die momentan in kleiner, lokal auch in bedeutsamer Zahl fliegen, gehören zu Hanf – Hanfgewächsen (Cannabis – Cannabaceae), Holunder (Sambucus), Kiefer (Pinus), Liguster (Ligustrum), Sauergräsern (Cyperaceae) oder Zypressengewächsen (Cupressaceae). Selten sind Pollen von Binsen- (Juncaceae) und Rosengewächsen (Rosaceae), Rötegewächsen (Rubiaceae), Doldenblütlern (Apiaceae), Löwenzahn (Taraxacum – Cichorioideae) und insektenbestäubten Kräutern, wie dem Natternkopf (Echium) in der Luft. Vereinzelt tauchen frühe Pollen von Beifuß (Artemisia) und Gänsefußgewächsen (Chenopodiaceae/Amaranthaceae) auf. Im Alpenraum sind immer noch die Grün-Erlen (Alnus) aktiv und belasten die Berg- und Tallagen, punktuell mäßig bis stark, ansonsten schwach. Die Olivenbaumblüte (Olea) am Mittelmeer ebbt ab. Es sind jedoch vor allem am östlichen Mittelmeer noch Bäume aktiv, die dann Urlauber mit Eschenpollenallergie betreffen können.
Die anstehenden höheren Temperaturen kommen der Sporenreifung von Schimmelpilzen zugute. Ein ansteigender Trend gegenüber der Vorwoche zeichnet sich ab. Zu Wochenbeginn steigt damit das Risiko überregional (vor allem in der Ost und Südhälfte) mit Konzentrationen von Cladosporium-Sporen in Kontakt zu kommen, die oberhalb der bekannten Reizschwelle liegen. Auch bei Alternaria besteht das Risiko des Überschreitens der Reizschwelle. Der große Run ist jedoch bei diesem Sporentyp noch nicht zu erwarten. Epicoccum ist beständig in schwacher bis knapp mittlerer Konzentration dabei. Pleospora fliegen kaum noch.
Matthias Werchan, 12.06.2024
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