Gräserpollen im Rückwärtsgang – hohe Belastungen dennoch verbreitet möglich.
Der Sommer 2024 ist bisher ein unsteter Geselle. Längere hochdruckgeprägte Witterungsphasen stehen weiterhin aus. Auch in den letzten Tagen wechselte sich Sonnenschein und weiß-blauer Himmel immer wieder mit Allergiker-freundlichem Wetter, sprich Regen, ab. Besonders im Nordwesten verging die Woche ohne einen Sommertag (Tmax >25 °C), während es weiter nach Osten und Süden zum Ende hin stärker einsommerte mit ersten zaghaft heißen Tagen (Tmax >30 °C) im Süden, wo es auch den wenigsten Regen gab. Mit dem Pollenflug ging es witterungsbedingt mal bergauf, mal bergab. Immer noch fielen an trockenen Tagen Gräserpollen in großer Zahl über die Allergiker her. Vereinzelt wurden erst jetzt der saisonale Gipfel erklommen bzw. vorherige überboten, wie z.B. an einer Station an der Ostseeküste oder in den höheren Lagen der Alpen. Insgesamt ließ die Gräserblüte und der resultierende Pollenflug aber nach. Für hohe Belastungen reichte es an trockenen Tagen dennoch spielend. Bei den Brennnesselgewächsen registrierten unsere Messstationen in den letzten Tagen weitere Aufwärtstendenzen im Pollenflug, teils brachten sich die Pollen als Anwärter für die Poleposition in Stellung, teils wurden die Gräser bereits um ihren Spitzenplatz im Pollenranking beerbt. Mittlere Pollenkonzentrationen der Brennnesselgewächse im Norden standen mittlere bis hohe Konzentrationen in großen Teilen der Mitte, des Südens und Westens gegenüber. Ansonsten änderte sich beim Pollenflug gegenüber der Vorwoche nicht viel. Von den krautigen Pflanzen steuerten vor allem Ampfer und Wegerich nennenswert Pollen bei (geringe bis mittlere Konzentrationen), bei den Bäumen waren es vor allem die Linden (mit ebenfalls geringen bis mittleren Konzentrationen). Wenige Pollen von Esskastanie, lokal Götterbaum und Zypressengewächsen stießen dazu. Hin und wieder flogen bereits frühe Beifußpollen und Pollen der Gänsefußgewächse. Der Sporenflug allergieauslösender Gattungen wie Alternaria und Cladosporium nahm zuletzt eine eher abwartende Haltung ein. Ein Überschreiten der Sporentyp-spezifischen Schwellenwerte zur Auslöse von Allergiesymptomen wurde während der letzten Tage wider Erwarten nirgendwo registriert.
Bis zum Wochenende geht es regional nochmals wechselhaft zu, danach nur noch südlich der Mitte. Vor allem in der großen Nordhälfte kehrt ab Sonntag deutlich freundlicheres Wetter ein und der Sommer geht auf Kuschelkurs. Die anfangs bescheidenen Pollenflugbedingungen verbessern sich damit zunehmend. Ganz im Süden und an den Alpen könnten häufige Regenfälle bis zum Ende der Vorhersageperiode immer mal dazwischenfunken.
Die Gräserpollensaison (Poaceae) verlief bisher durchschnittlich ohne außergewöhnlich hohe Peaks. Daran wird sich auch in den nächsten Tagen nichts mehr ändern. Einige der großen Pollenschleudern unter den Gräserarten steigen zunehmend aus dem Blühgeschäft aus oder verlegen es in die hohen Gebirgslagen. Die noch verbliebenen starken und weit verbreiteten „Stäuber“ können die Belastungen dennoch auf einem hohen Niveau halten, insbesondere unter den sich ab dem Wochenende vielerorts einstellenden trockenen und allmählich leicht sommerlichen Witterungsbedingungen. Peak-Konzentrationen bleiben den höheren Berglagen vorbehalten, sofern es dort länger abtrocknet. Küstennah sind im Nordosten beim Einströmen der Luft von der pollenarmen Ostsee trotz Sonnenschein nur wenig Gräserpollen in der Luft. Erst weiter im Landesinneren reichert sich die Luft mit Pollen an.
Die Brennnesselgewächse (Urticaceae) blühen. Allerdings ist das Gros der Pflanzen noch nicht aufgeblüht oder kommt erst zögerlich in Blühstimmung. Somit geht es in den kommenden Tagen beim Pollenflug tendenziell weiter aufwärts – aber gemächlich. Im bisher feuchtkühlen Nordwesten sind nun erste hohe Pollenkonzentrationen im Verlauf möglich. In der großen Landesmitte sind hohe Pollenkonzentrationen ab dem Wochenende häufig zu erwarten. Bis zum saisonalen Höhepunkt ist aber noch einige Luft nach oben. In den höheren Berglagen schweben Pollen dagegen in maximal mittlerer Konzentrationen umher. Hier sind die Brennnesseln noch ganz am Anfang der Blüte. Zu den Brennnesselgewächsen gehören neben den überall vorkommenden, heimischen Brennnesseln (Urtica) auch die eher mediterran beheimateten Glaskräuter (Parietaria), die sich hierzulande warme Innenstädte oder andere wärmebegünstigte Orte zum Wachsen und zur Ausbreitung aussuchen und die Luft lokal mit ihren Pollen anreichern. Der Anteil, der als (sehr) allergen geltenden Glaskrautpollen in der Luft, kann allerdings nur vage anhand der Größe der Vorkommen geschätzt werden. Eine Differenzierbarkeit zwischen Glaskraut- und Brennnesselpollen ist unter dem Mikroskop nicht möglich. Von Allergien gegen Brennnesselpollen wird ebenfalls berichtet. Trotzdem gelten Brennnesselpollen vielfach als allergologisch unbedeutend bzw. deutlich weniger auffällig als Glaskrautpollen.
Pollen von Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) profitieren von den sich aufheiternden Pollenflugbedingungen. Häufig kann in der Fläche ein knapp mittleres Pollenflugniveau erreicht werden, in verkrauteten Wiesen, Weiden oder Randstreifen darf´s punktuell auch mal mehr sein.
Die Blüte der Linden (Tilia) und Esskastanien (Castanea) läuft. Vor allem der Pollenflug der Linden bleibt in den meisten Regionen stabil auf geringem bis mittlerem Niveau. Im Umfeld großer, voll erblühter Bäume ist der Pollenflug unter Umständen auch stark. Nur in den bislang wärmsten Sommergegenden (z.B. Lausitz, Berliner Raum) geht die Blüte Linden, auch die der später blühenden Winterlinden (T. cordata), langsam zu Ende. Hier ist der Pollenflug trotz Wetterbesserung entsprechend auf absteigendem Ast. Pollen der Esskastanie können sich in kleiner Zahl überall mal zeigen mit den höchsten Chancen auf höhere (mittlere) Konzentrationen im Südwesten Deutschlands. Dort kommen die wärmebedürftigen Esskastanien auch natürlicherweise in den Wäldern vor, nicht nur angepflanzt. Werden hohe Konzentrationen in der Luft erreicht, sind bei Birkenpollenallergikern allergische Kreuzreaktionen möglich. Lindenpollen kann ebenfalls bei einigen Menschen zu Sensibilisierungen und spürbaren allergischen Symptome führen. Blühende Götterbäume (Ailanthus) sind nur noch in den Juni-kühlen Regionen zu finden. Dort kann Götterbaumpollen weiter schwach bis lokal mäßig auftreten, sofern überhaupt Götterbäume vorkommen. Im wärmeren Osten, wie in Berlin, ist diese fremdländische Art abgeblüht und der Pollenflug für dieses Jahr gelaufen.
Weitere Pollenarten, die momentan in kleiner, lokal auch in bedeutsamer Zahl fliegen, gehören zu Hanf – Hanfgewächsen (Cannabis – Cannabaceae), Holunder (Sambucus), Kiefer (Pinus), Sauergräsern (Cyperaceae) oder Zypressengewächsen (Cupressaceae). Selten sind Pollen von Binsen- (Juncaceae) und Rötegewächsen (Rubiaceae), Doldenblütlern (Apiaceae), Löwenzahn (Taraxacum – Cichorioideae) und anderen Korbblütlern (Asteraceae), Kreuzblütlern (Brassicaceae) oder unzähligen weiteren insektenbestäubten Kräutern, wie dem Natternkopf (Echium) in der Luft. Es tauchen frühe Pollen von Beifuß (Artemisia) und Gänsefußgewächsen (Chenopodiaceae/Amaranthaceae) auf, die in dieser geringen Zahl kaum zum Allergiegeschehen beitragen. Im Alpenraum sind die Grün-Erlen (Alnus) aktiv und belasten lokal die Berg- und Tallagen, punktuell mäßig bis stark, ansonsten schwach.
Der Beginn der Getreideernte steht in Kürze bevor. Zusammen mit der ab dem Wochenende aufziehenden Schönwetterperiode dürfte es beim Sporenaufkommen der allergenen Gattungen Alternaria und Cladosporium ab diesem Zeitpunkt wieder deutlicher nach oben gehen. Es ist anzunehmen, dass die Sporentyp-eigenen Warnschwellen zunächst vereinzelt, gegen Ende häufiger und verbreiteter geknackt werden, speziell in den Niederungen der Nordhälfte. Epicoccum-Sporen sind mal auf schwachen, mal auf mittlerem Niveau dabei, Pleospora nur selten oder auf schwachem Niveau.
Matthias Werchan, 19.06.2024
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