Kühles Maiwetter ist am vergangenen Montag (dem Start der Eisheiligen) in Deutschland eingezogen. Mit dem jähen Absturz vom Frühsommer in einen – man könnte sagen – milden Winter, kehrt aktuell ein wenig Ruhe in die Pflanzenentwicklung und Pollenausbreitung ein. Bis zum vergangenen Sonntag waren insbesondere die Konzentrationen an Gräserpollen in der Luft stetig angestiegen, verfehlten aber zumeist noch die Schwelle zur starken Belastung. Speziell im Süden und Westen Deutschlands wurde weithin ein (oberes) mittleres Belastungsniveau erreicht, im Norden und Osten dagegen nur vereinzelt. Stärkere Niederschläge und kalte Luft haben Gräserpollenallergikern seitdem den Aufenthalt im Freien wieder erträglicher gemacht und eine wahrscheinlich letzte Atempause vor dem Durchstarten der Gräserpollensaison verschafft.
Richtet man aktuell einen fachkundigen Blick auf ungemähte Wiesen und Säume, lassen sich bei zahllosen (Süß-)Gräserarten (Poaceae) deutlich die weit entwickelten Blütenstände erkennen. Die Hauptdarsteller der alljährlichen Hochsaison der Gräserblüte stehen also bereits „Gewehr bei Fuß“, um ihre mehr oder weniger üppigen Pollenbeutel zu öffnen und deren feinkörnigen Inhalt in der Umgebung zu verteilen. Bekannte Protagonisten dieser Darbietung sind im Mai/Juni beispielsweise das Knäuelgras (Dactylis glomerata), der Glatthafer (Arrhenatherum elatius), der Wiesenschwingel (Festuca pratensis) oder diverse Rispengräser- (Poa) oder Trespen-Arten (Bromus). Zusammen treiben sie die Pollenbelastung bei Schönwetterperioden immer weiter nach oben bis zu einem Maximum, welches in den zentraleuropäischen Tieflandregionen in etwa Ende Mai bis Mitte/Ende Juni erreicht ist. Obwohl es langsam gen Ende Mai geht, steht den Gräserpollenallergikern in den nächsten Tagen, aufgrund kühler Nordseeluft eine verhalten „Allergiker-wirksame“ Entwicklung ins Haus, die aber an sonnenscheinreichen und windigen Tagen wiederum spielend ein mittleres Belastungsniveau im (Achtung!) Süden und Westen Deutschlands, hervorrufen kann. Hier sollten sich Allergiker unbedingt auch auf stellenweise hohe Belastungen einstellen, ohne, dass im Galopp schon die saisonalen Höchststände angepeilt werden. Gebiete nordöstlich der Elbe hinken dem phänologischen Geschehen im Süden und Westen einige Tage hinterher. Hier kann das Erreichen bzw. Überschreiten der mittleren Belastungsschwelle als ungünstigster Fall für Allergiebetroffene angesehen werden. Direkt an den Küsten ist bei Seewind sowieso kaum Pollenflug zu erwarten. Berglagen oberhalb ca. 800 m NN (im Westen und Süden) bzw. über ca. 500 m NN (im Osten und der östlichen Mitte) sind bisher kaum von Gräserpollenflug betroffen. Daran ändert sich auch in den nächsten Tagen noch nichts. Zusätzlich zu den Pollen wildwachsender Süßgräser beteiligen sich im Verlauf erste Pollen der Kulturgräser, wie Roggen (Secale), am Belastungsgeschehen, ebenfalls bevorzugt im Süden und Westen. Im Grünland und an Wegrändern wachsen zudem die verschiedensten Kräuterarten heran, von denen aktuell immer mehr Ampfer- (Rumex) und Wegerichpflanzen (Plantago) blühbereit sind und als Windbestäuber für leichten Pollenflug sorgen mit weiter zunehmender Tendenz.
Etwas Birken- (Betula) und Eschenpollen (Fraxinus) ist immer noch in der Luft messbar. Bei der Birke entstammen diese gut allergikerverträglichen Pollenzahlen den Blühnachzüglern in höheren Gebirgslagen oder Ferntransporten aus dem Norden Europas. Bei der Esche sind es vorwiegend die Pollen der nichtheimischen, wärmeliebenden Blumenesche (F. ornus), die schwache Reizungen im Umfeld dieser weiß blühenden Bäume auslösen können. Von der heimischen Esche (F. excelsior) findet sich dagegen kaum noch ein Pollenkorn in der Luft.
Die starke diesjährige Eichenblüte (Quercus) hat mittlerweile einmal das gesamte Bundesgebiet durchwandert und verliert in den meisten Regionen zunehmend an Substanz. Auch im äußersten Norden ist aktuell der Höhepunkt der Eichenblüte erreicht. Vor dem Einströmen der kalten Luft wurden von dort veritable, einer Birkenblüte vergleichbare, Pollenkonzentrationen vermeldet. Noch höhere Eichenpollenkonzentrationen als bisher sind in den kommenden Tagen, wenn überhaupt, dann nur noch vereinzelt im äußersten Nordosten und in Berglagen mit Eichenvorkommen zu erwarten. Der allgemeine Trend zeigt dagegen nach unten. Im Süden und Westen ist die Eichenblüte nahezu vorüber. Eichenpollen haben für Hasel-, Erlen- und Birkenpollenallergiker Relevanz, da aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit ihrer Allergene Kreuzreaktionen möglich sind. Dies trifft auch auf (Rot-)Buchenpollen (Fagus) zu, der allerdings nur noch im Norden des Landes und in der Nähe zu einigen hochgelegenen Buchenvorkommen von sich reden macht. Ansonsten „hat die Buche in Deutschland fertig“.
Die Platanen (Platanus) haben in der milden Luft am letzten Wochenende an einigen Orten (mit Orten sind hier tatsächlich vornehmlich menschliche Siedlungen gemeint) im Norden, von Niedersachsen bis nach Brandenburg, nochmals für einen ordentlichen Schwung Pollen in der Luft gesorgt. Ob daran in den kommenden Tagen angeknüpft werden kann, darf bezweifelt werden. Die Tendenz sollte spätestens jetzt abwärts gerichtet sein. Platanenpollen fliegen schwach im Norden und Osten und vereinzelt im Süden und Westen. Die auffälligen Blütenblätter der Rosskastanie (Aesculus) fallen mehr und mehr wie Schnee zu Boden. Der schwache bis teils mäßige Pollenflug ebbt allmählich ab. Dieser Prozess ist wiederum im wärmeren Süden und Westen am weitesten fortgeschritten. Beiden Pollenarten wird ein allergenes Potential bescheinigt, wobei die Platane mit ihrer höheren Pollenlast mehr Relevanz für Allergiker hat.
Als potente Pollenproduzenten der frühjährlichen Baumblüte gelten auch die allergologisch unbedeutenden heimischen Koniferen-Gattungen Fichte (Picea), Tanne (Abies) und Kiefer (Pinus). Im Tiefland ist die Mehrheit der Fichten und Tannen bereits ausgestäubt, wohingegen in höheren Berglagen, wo diese Baumarten besonders häufig sind, noch blühbereite Bäume angetroffen werden können. Die sehr zahlreich in kontinentaleren Osten von Deutschland vertretene Kiefer läutet im Osten mit steigenden Pollenzahlen den Saisonstart ein. Weiter nach Westen und Süden stäubt die Kiefer schon länger. Ganz so „luschig“ wie vielerorts im letzten Jahr stäuben weder Kiefer noch Fichte. In welche Höhen sich die Kieferpollenkonzentrationen in den nächsten Wochen noch aufzuschwingen vermögen, muss abgewartet werden. Die Tendenz ist jedenfalls erst einmal klar aufwärts gerichtet.
Der Rapsblüte (Brassica) endet. Einzig in höher gelegene Regionen mit Rapsanbau und im Norden des Landes bleibt über die nächsten Tage noch ein deutlicher gelber Schimmer aus Rapsblüten in den Feldern erhalten, so dass allergene Rapspollen in Feldnähe in der Luft sein können.
Holunderpollen (Sambucus) können ab jetzt zahlreicher auftreten. Die Blüte des Schwarzen Holunders (Sambucus nigra) hat bereits begonnen. In der Nähe blühender Büsche sind recht hohe Pollenkonzentrationen möglich, ansonsten kommt es zumindest zu schwachem, unstetem Pollenflug. Holunderpollen wird eine gewisse allergologische Potenz zugesprochen.
Weitere Pollenarten, die in der aktuellen Vorhersagewoche in kleiner, teils zunehmender, teils abnehmender Zahl messbar sein können, stammen insbesondere von der Familie der Zypressengewächse (Cupressaceae), der Sauergräser (Cyperaceae), der Rosengewächse (Rosaceae) und der Binsengewächse (Juncaceae), von der Walnuss (Juglans), der Lärche/Douglasie (Larix/Pseudotsuga), dem Maulbeerbaum (Morus), dem Ginkgo (Ginkgo), dem Spierstrauch (Spirea), der Weide (Salix) und diversen Kräuterarten, allen voran die Brennnessel (Urtica), daneben Doldenblütler (Apiaceae), Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae) u.a.. In den Alpenregionen setzt lokal erneut allergener Erlenpollenflug ein, ausgehend von den allmählich blühbereiten Grünerlenbeständen (Alnus viridis) der Hochlagen.
Die Sporenzahl der von unseren Messstellen erfassten, bedeutsamen allergenen Schimmelpilzsporengattungen (Alternaria, Cladosporium, Epicoccum und Pleospora) ist noch immer recht überschaubar. Ein allergologisches Risiko geht von den bisher registrierten Konzentrationen nicht aus. Daran ändert sich auch in den nächsten Tagen noch nichts.
Matthias Werchan, 13.05.2020
Ärztliche Hinweise (Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann):
In unserer Vorhersage vom 22. April 2020 hatten wir angekündigt, dass es für Personen mit einer Apfelallergie Hinweise zu alten Apfelsorten gibt, die besser verträglich sind. Diese alten Sorten haben weniger Apfelallergen und verursachen deshalb im Mund deutlich weniger Beschwerden beim Essen.
Hier wird unserer Vorhersage mit Einverständnis des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND-Ortsgruppe Lemgo) eine Liste von Apfelsorten beigefügt, die von Allergikern selber zusammengestellt wurde. Wir danken Herrn Willi Hennebrüder von der BUND-Ortsgruppe Lemgo für die Genehmigung die Liste zeigen zu dürfen. Weiterführende Informationen zur Apfelallergie erhalten Sie auf der Webseite des BUND Lemgo: www.bund-lemgo.de/apfelallergie.html.
*** Wir danken der Allergopharma GmbH & Co. KG, der AstraZeneca GmbH und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Esche, der Birke und der Gräser für Deutschland finden Sie hier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Erle, der Birke und der Gräser in der Luft in Europa finden Sie hier.
Für die Anmeldung unseres wöchentlichen Newsletters schreiben Sie bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Anmeldung des PID Newsletters“ an barbora.werchan[at]charite.de Dankeschön!