Das Leben der Gräserpollenallergiker im Norden und in der Mitte Deutschlands, sowie derjenigen in den Bergen war in den letzten Tagen wahrlich kein Zuckerschlecken. Vielerorts standen die Gräserpollen förmlich Schlange, um sich in der Luft zu tummeln. Damit dürften wir dann in den letzten zwei bis drei Wochen an den allermeisten Orten im Land den Gipfelpunkt der Gräserpollensaison erreicht haben. In großen Landesteilen blieb es zudem oft viele Tage hintereinander trocken, wodurch die „gipflige“ Belastungssituation auch längere Zeit anhielt. Etwas besser hatten es die Menschen im Süden Bayerns, dank einiger heftiger Regenfälle, die den Pollenflug unterbrachen und ebenfalls die klimatischen Vorzugsregionen entlang des Rheins dank der fortgeschrittenen Phänologie. Der saisonale Gipfel der Gräserpollensaison lag dort nicht in der zurückliegenden Woche, sondern davor. Mit Schwung zugenommen haben in den zurückliegenden Tagen die Pollenkonzentrationen der Brennnesselgewächse in der Luft. Diese belegten nach den Gräsern meist einen soliden zweiten Platz im Pollenranking. Zugenommen hat der Baumpollenflug von Linde und Esskastanie, deren Saison in den meisten Gegenden begonnen hat, die allerdings nur lokal oder tageweise mal etwas stärker in der Luft vertreten waren. Für einen Platz auf dem Treppchen reichte es in der Regel nicht oder nur an ausgesuchten Standorten. Munter und stetig flogen die Pollen der beiden Wiesenkräuter Ampfer und Wegerich, erreichten an unseren Messstandorten meist ein schwaches bis mittleres Konzentrationsniveau, saisonale Spitzenwerte nicht ausgeschlossen, Auch Holunderpollen blieb aktiv, war selten zahlreich aber häufig messbar. Bei den Sporen setzte Cladosporium seinen saisonal zeitigen Höhenflug vor allem im Westen des Landes fort, wo praktisch durchgehend die Warnschwelle, ab der Allergiesymptome auftreten können, erreicht wurde. Die Sporen von Alternaria sahen sich die sporenspezifische Warnschwelle bisher nur von unten an, konnten aber ebenfalls gegenüber der Vorwoche überall zulegen.
Für das Wetter ab dem Wochenende sind die Würfel noch nicht gefallen. Es deutet sich momentan eine erste kurze (?), aber intensive Hitzewelle an, die in Verbindung mit hohen Ozonwerten und immer noch reichlich Gräserpollen, sowie anderem biogenen Luftstaub keine leicht verdauliche Kost für Allergiebetroffene darstellen dürfte. Zur neuen Woche oder bereits am Sonntag könnten dann ein paar Regenfälle, von Norden her zurückgehende Temperaturen und ein allmählich nachlassender Pollendruck für etwas Entspannung sorgen.
Wie eingangs bereits erwähnt, sollte der Höhepunkt der Gräserpollensaison (Poaceae) im Großteil des Landes hinter uns liegen. Es gibt allerdings einige Winkeln, Ecken und Kanten, wie z.B. dem hohen Norden, dem äußersten Nordosten, sowie den grünlandgeprägten Gegenden in den oberen Lagen der Mittelgebirge und der Alpen, wo sich der saisonale Gipfel des Gräserpollenflugs erst in den kommenden Tagen zeigen könnte. So oder so gehen die Pollenbelastungen auch im übrigen Land nur ganz allmählich zurück. Hohe Pollenkonzentrationen sind im norddeutschen Tiefland daher weiterhin eher die Regel als die Ausnahme. Und nur im heißen Südwesten der Republik darf man aufgrund der fortgeschrittenen Saison in den Tieflagen bereits auf das Ende hoher Gräserpollenbelastungen hoffen. Die Blüte der Kulturgräser, vor allem die des stärker stäubenden Roggens (Secale) ist nahezu vorüber. Letzte Pollen betreffen noch die küstennahen Regionen und einige höhergelegene Anbauflächen.
Bei Ampfer (Rumex) und Wegerich (Plantago) tut sich nicht viel beim Pollenflug. Das Niveau der Vorwoche wird häufig wiederum erreicht werden. Gräserpollenallergiker könnten durch die Pollen des Wegerichs über allergische Kreuzreaktionen beeinträchtigt werden.
Bei der Pollenzahl der Brennnesselgewächse (Urticaceae) geht es weiter aufwärts, allerdings dämpfen die Hitze in Verbindung mit der verbreitet starken Trockenheit das Wachstum der Pflanzen. Das könnte sich in den kommenden Wochen auf die erreichbare Maximalintensität des Pollenflugs limitierend auswirken. In den kommenden Tagen sind in allen Landesteilen mittlere bis hohe Pollenkonzentrationen von Brennnessel (Urtica) und regional auch Glaskraut (Parietaria) möglich. Spitzenwerte wird es aber nicht geben, da die Hauptsaison für gewöhnlich erst im Juli und August stattfindet, sofern Hitze und Trockenheit bis dahin nicht allzu viele Pflanzen eliminieren.
Die zarten Holunderblüten (Sambucus) werden in den kommenden Tagen immer seltener. Die Hitze sollte in den meisten Landesteilen für ein schnelles Ende der Blütezeit sorgen. Nur im Norden und Osten, sowie in den Bergen ist dann noch mit Holunderpollenflug zu rechnen, der teils stark im Umfeld blühender Sträucher ist und ansonsten schwach und unstet bleibt.
Der Pollenflug von Linde (Tilia), Esskastanie (Castanea) und zunehmend auch vom Götterbaum (Ailanthus) steuert landesweit seinem Höhepunkt entgegen, wobei zuerst der Süden und Westen dran ist, während die Bäume im Norden und Nordosten noch etwas trödeln und der maximale Pollenflug wahrscheinlich erst in der Folgewoche erwartet werden kann. Meist sorgen diese drei späten Vertreter der Baumblüte für ein bescheidenes Auftreten ihrer Pollen in der Luft, vergleichbar dem Niveau einer Ulmenblüte. Hohen Pollenkonzentrationen kann man aber durchaus mal ausgesetzt sein, sofern man sich in der Umgebung blühender Bäume aufhält. Bei der Esskastanie kommt es häufiger vor, dass Pollen von den großen Esskastanienbeständen auf der Alpensüdseite auf die Nordseite geweht wird und dort für tage- oder stundenweise starken Pollenflug sorgt, wo sonst weit und breit kein Baum steht. Lindenpollen kann trotz des maßvollen Pollenflugs bei einigen Menschen zu Sensibilisierungen und spürbaren allergischen Symptome führen. Pollen der Esskastanie kann in hohen Konzentrationen bei Birkenpollenallergikern zu leichten Kreuzreaktionen führen. Götterbaumpollen gilt als allergen, ist aber nur lokal häufig, insbesondere im städtischen Umfeld.
Zu den oben genannten Pollentypen kommen einzelne Pollen von Gänsefußgewächsen (Chenopodiaceae), Kiefer (Pinus), insbesondere der Latschenkiefer (P. mugo) in den Alpen, Liguster (Ligustrum), Sauergräsern (Cyperaceae) und Zypressengewächsen (Cupressaceae). Zahlreich blühen die unterschiedlichsten insektenbestäubten Kräuter und Sträucher. Daher können sporadisch Pollen von z.B. Natternkopf (Echium), Pfeifenstrauch (Philadelphus), diversen Korbblütlern (Asteraceae), Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae) oder Doldenblütlern (Apiaceae) in unseren Pollenflugmessgeräten und auch überall sonst auftauchen.
Der Sporenflug der allergenen Schimmelpilzsporengattung Cladosporium wird unter Schwankungen sein bisheriges Konzentrationslevel in etwa aufrechterhalten. Damit sind immer wieder Tage mit Überschreitung der sporenspezifischen Warnschwelle möglich und Betroffene müssen mit Allergiesymptomen rechnen. Der Sporenflug von Alternaria gewinnt weiter an Kontur und hier und da sind Übertretungen der Warnschwelle möglich. Leichte Allergiesymptome können die Folge sein. Die Sporen von Epicoccum fliegen nun regelmäßig in geringer Zahl.
Matthias Werchan, 15.06.2022
*** Wir danken der Allergopharma GmbH & Co. KG, der AstraZeneca GmbH und der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG für das Sponsoring dieser Wochenpollenvorhersage. ***
Tägliche Pollenbelastungsvorhersagen der Gräser und des Roggens für Deutschland finden Siehier.
Tägliche Pollenkonzentrationsvorhersagen der Gräser und der Olive in der Luft in Europa finden Siehier.
Für die Anmeldung unseres wöchentliches Newsletters schreiben Sie bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Anmeldung des PID Newsletters“ an barbora.werchan[at]charite.de Dankeschön!