19.09.2022
Pollenwissen-to-go: 30 Jahre Pollenmonitoring im Land von Eis und Feuer: Für welche Pollenallergiker und zu welcher Zeit im Jahr bietet Island einen Zufluchtsort?
30 Jahre Pollenmonitoring im Land von Eis und Feuer: Für welche Pollenallergiker und zu welcher Zeit im Jahr bietet Island einen Zufluchtsort?
Weltweit dient die Überwachung des Pollenflugs verschiedenen Zwecken: Zunächst einmal und vielleicht am offensichtlichsten ist der bestehende Zusammenhang zu allergischen Erkrankungen, die durch Pollen ausgelöst und während der Pollensaison durch Allergiesymptome in Erscheinung treten, also in unseren Breiten im Wesentlichen ab dem späten Winter bis zum Ende des Sommers. Für Menschen, die unter Heuschnupfen leiden, ist daher das Wissen über die Belastung der Luft durch die umherfliegenden, allergieauslösenden Pollen von entscheidender Bedeutung, um vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und der Entwicklung von Symptomen entgegenzuwirken. Diese Informationen liefert in Deutschland beispielsweise unsere Stiftung in Form einer ausführlichen wöchentlichen Vorhersage. Die Daten zum Pollenflug dienen aber darüber hinaus auch als wichtiges Instrument, um die Auswirkungen der vom Menschen verursachten Umweltveränderungen, Stichwort: Klimawandel, zu verfolgen. In beiden Fällen sind möglichst lange Messreihen zum Pollenflug unerlässlich, da sie eine genauere Charakterisierung von Dauer und Intensität der Pollensaison sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht ermöglichen.
Für Island, die zweitgrößte Insel Europas, die durch sehr wechselhaftes und kühles Klima geprägt wird, lagen zwar lang zurückreichende Daten zum Pollenflug vor, doch fehlte eine detaillierte Beschreibung der Pollensaison. In einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung nutzte ein Forscherteam die vorhandenen Langzeit-Pollendaten aus volumetrischen Pollenfallen (Burkard-Fallen) zweier isländischer Messstationen, Reykjavik und Akureyri, die teils bis ins Jahr 1988 (Reykjavik) zurückreichten.
Obwohl über den Gesamtzeitraum insgesamt 62 verschiedene Pollenarten identifiziert wurden, ist die Vielfalt der Pollen im hohen Norden deutlich reduziert. Viele in Mitteleuropa häufige, allergene Pollenarten, wie Buche (Fagus), Eiche (Quercus), Esche (Fraxinus), Platane (Platanus) oder Traubenkraut (Ambrosia), gelangen nur sporadisch und in sehr geringer Zahl über Ferntransporte aus Kontinentaleuropa nach Island und stellen somit für die isländischen Pollenallergiker und Islandreisende kaum eine Bedrohung dar. Anders sieht es bei Gräser- und Birkenpollen aus, die in Island zu den häufigsten allergenen Pollenarten zählen. Diese beiden Pollenarten speisen sich meist aus den dortigen heimischen Quellen, wobei auch hier Ferntransporte aus Skandinavien oder südlichen Ländern vorkommen können. Aufgrund des rauen Klimas beginnt der Birken- und Gräserpollenflug in Island sehr spät, häufig erst viele Wochen nach Beginn der Saison in West- und Mitteleuropa.
So startet die Saison der Birke (Betula spp.) in West- und Mitteleuropa in der Regel gegen Ende März und endet etwa Mitte Mai, während sie in Island häufig erst Ende Mai/Anfang Juni beginnt und sogar bis Anfang August reichen kann, womit die isländische Saison im Schnitt nicht nur später beginnt, sondern auch länger andauert als in südlicheren Ländern, 38-43 Tage statt 20-30 Tage. Sowohl die Gesamtpollenmenge als auch die Spitzenkonzentrationen liegen beim isländischen Birkenpollenflug jedoch um eine ganze Größenordnung niedriger als in West- und Mitteleuropa. Im Schnitt übersteigen die Konzentrationen nur an wenigen Tagen im Jahr einen Wert von 70 Pollen/m³ Luft.
Bei den Gräsern (Poaceae) beginnt die isländische Saison im Durchschnitt über fünf Wochen später als in Kontinentaleuropa und ist damit insgesamt deutlich kürzer. So gehen die Gräserpollen in Island erst gegen Mitte oder Ende Juni an den Start, wenn bei uns das Gröbste häufig schon durch ist. Das Saisonende kommt zwischen Mitte August und Mitte September, in etwa so wie hierzulande. Erstaunlicherweise gleicht die Intensität der isländischen Gräserpollensaison der unsrigen. Die Pollen der Gräser zählen somit zu den häufigsten Pollen Islands. Das Maximum des Gräserpollenflugs wird erst in der ersten Augusthälfte erreicht und liegt im Durchschnitt bei beachtlichen 230 Pollen/m³ Luft am Tag.
Somit bietet Island während des Maximums der mitteleuropäischen Birkenpollensaison im April einen guten Zufluchtsort für Birkenpollenallergiker. Auf der anderen Seite birgt eine Reise in den isländischen Sommer die Gefahr dort während dieser Zeit mit Birkenpollen in Kontakt zu geraten. Gräserpollenallergiker aus Deutschland können sich zumindest bis etwa Mitte Juni nach Island zurückziehen und so dem stärksten Ansturm von Gräserpollen hierzulande entgehen. Weitere Pollenarten kommen in nur sehr niedrigen Konzentrationen vor. Erwähnenswert sind bei den Bäumen hauptsächlich die Pollen der Pappeln (Populus), der Kiefergewächse (Pinaceae) und der Weiden (Salix spp), bei den Kräutern vor allem die Pollen des Ampfers (Rumex), insbesondere in Reykjavik.
Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie ist, dass, obwohl beide Messstationen relativ nahe beieinanderliegen (in 254 km Entfernung), sich die Pollensaisons an beiden Standorten fast nie synchron zueinander verhalten. Eine starke Birkenpollensaison in Reykjavik ist deshalb in der Regel nicht gleichbedeutend mit einer starken Saison in Akureyri und umgekehrt. Außerdem zeigen sich keine wiederholenden zwei- bis dreijährigen Zyklen mit hoher und niedriger Birkenpollenproduktion wie im übrigen Europa. All dies ist höchstwahrscheinlich auf die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zwischen den beiden Messstationen und im Vergleich zum übrigen Europa zurückzuführen. Während in Akureyri (Nord-Island) höhere Temperaturen und geringere Niederschläge zu verzeichnen sind, fallen in Reykjavik im Süden der Insel niedrigere Temperaturen und höhere Niederschläge zusammen.
Darüber hinaus kam es über den betrachteten Zeitraum zu teils statistisch signifikanten Veränderungen in der Intensität des Pollenflugs. Die jährliche Pollenmenge der Birke stieg signifikant in Reykjavik (nicht aber in Akureyri) und die der Gräser stieg signifikant in Akureyri (nicht aber in Reykjavik). Welche Auswirkungen diese Trends in der Pollenproduktion auf die Allergiebetroffenen Islands haben, ist jedoch noch nicht geklärt. Auch bei Pappeln und Kiefergewächsen gehen die Studienautoren von einer Zunahm der Pollenzahl in den kommenden Jahren aus, ausgelöst durch die vielen neue Anpflanzungen auf der Insel.
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30 years of pollen monitoring in the land of ice and fire: For which pollen allergy sufferers and at what time of the year does Iceland offer a refuge?
Globally, pollen monitoring serves several purposes: First of all, and perhaps most obvious, is the existing link to allergic diseases triggered by pollen and manifested by allergy symptoms during the pollen season, which in our latitudes is essentially from late winter until the end of summer. For people who suffer from hay fever, knowledge about the exposure of the air to the allergenic pollen flying around is therefore of crucial importance in order to take preventive measures and counteract the development of symptoms. In Germany, for example, our foundation provides this information in the form of a detailed weekly forecast. However, pollen count data also serve as an important tool for tracking the effects of man-made environmental changes, keyword: climate change. In both cases, the longest possible series of pollen measurements are essential, as they allow a more accurate characterization of the duration and intensity of the pollen season, both in the short and long term.
For Iceland, the second largest island in Europe, which is characterized by a very changeable and cool climate, long-term pollen data were available, but a detailed description of the pollen season was lacking. In a recent publication, a team of researchers used those existing long-term pollen data from volumetric pollen traps (Burkard traps) from two Icelandic pollen monitoring stations, Reykjavik and Akureyri, some of which dated back to 1988 (Reykjavik).
Although a total of 62 different pollen types were identified over the entire period, the pollen spectrum in the far north is significantly reduced. Many allergenic pollen types common in Central Europe, such as beech (Fagus), oak (Quercus), ash (Fraxinus), sycamore (Platanus) or ragweed (Ambrosia), reach Iceland only sporadically and in very small numbers via long-distance transport from continental Europe and thus hardly pose a threat to Icelandic pollen allergy sufferers and travelers to Iceland. The situation is different for grass and birch pollen, which are the most common allergenic pollen types in Iceland. These two pollen types mostly originate from local indigenous sources, although long-distance transport from Scandinavia or southern countries may also occur. Due to the harsh climate, the birch and grass pollen flight in Iceland begins very late, often many weeks after the start of the season in Western and Central Europe.
For example, the birch (Betula spp.) season in Western and Central Europe usually starts around the end of March and ends around mid-May, whereas in Iceland it often starts in late May/early June and can even last until early August, meaning that the Icelandic season not only starts later on average, but also lasts longer than in more southern countries, 38-43 days instead of 20-30 days. However, both the total amount of pollen and the peak concentrations are an order of magnitude lower in the Icelandic birch pollen count than in Western and Central Europe. On average, concentrations exceed 70 pollen/m³ of air only on a few days per year.
In the case of grasses (Poaceae), the Icelandic season begins on average about five weeks later than in continental Europe and is thus significantly shorter overall. In Iceland, for example, grass pollen does not start flying until mid or late June, when the worst is often already over in this country. The end of the season comes between mid-August and mid-September, roughly the same as here in Germany. Surprisingly, the intensity of the Icelandic grass pollen season is similar to ours. Thus, the pollen of grasses is one of the most common pollen in Iceland. The maximum grass pollen count is usually reached in the first half of August with a remarkable average of 230 pollen/m³ air per day.
Thus, Iceland offers a good refuge for birch pollen allergy sufferers during the peak of the Central European birch pollen season in April. A trip to Iceland during the Icelandic summer, on the other hand, carries the risk of coming into contact with birch pollen during this time. Grass pollen allergy sufferers from Germany can retreat to Iceland at least until about mid-June and thus escape the strongest onslaught of grass pollen in this country.
Other pollen types occur in only very low concentrations. Worth mentioning in the case of trees are mainly the pollen of poplar (Populus), pine family (Pinaceae) and willow (Salix spp), and in the case of herbs mainly the pollen of sorrel (Rumex), especially in Reykjavik.
Another interesting finding of the study is that, although both pollen monitoring stations are relatively close to each other (at a distance of 254 km), the pollen seasons at both locations are hardly ever in synchrony with each other. Therefore, a strong birch pollen season in Reykjavik does not usually equate to a strong season in Akureyri and vice versa. Furthermore, there is no evidence of repetitive two- to three-year cycles of high and low birch pollen production as in the rest of Europe. All this is most likely due to the different climatic conditions between the two monitoring stations and compared to the rest of Europe. While Akureyri (northern Iceland) experiences higher temperatures and lower precipitation, Reykjavik in the south of the island coincides with lower temperatures and higher precipitation.
In addition, some statistically significant changes in pollen counts occurred over the period under observation. The annual pollen sum of birch increased significantly in Reykjavik (but not in Akureyri) and that of grasses increased significantly in Akureyri (but not in Reykjavik). However, the impact of these trends on Icelandic allergy sufferers is not yet clear. The study authors also expect pollen loads of poplar and the pine family to increase in the coming years, due to the many new plantations on the island.
Dr. Nestor González Roldán, Matthias Werchan, 19.09.2022
*** Ein populär-wissenschaftlicher Service der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst mit freundlicher Unterstützung von Allergopharma GmbH & Co. KG. ***
Originalpublikation in Englisch: Przedpelska-Wasowicz, E.M., Wasowicz, P., Áskelsdóttir, A.Ó. et al. Characterisation of pollen seasons in Iceland based on long-term observations: 1988–2018. Aerobiologia 37, 507–524 (2021). https://doi.org/10.1007/s10453-021-09701-y Published: 26 March 2021
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