29.06.2022
Pollenwissen-to-go: Das DNA-Metabarcoding als eine Technik zur hochauflösenden Pollenbestimmung – ein zusätzliches Instrument zukünftiger Pollenüberwachung?
Das DNA-Metabarcoding als eine Technik zur hochauflösenden Pollenbestimmung – ein zusätzliches Instrument zukünftiger Pollenüberwachung?
Für Menschen, die unter Heuschnupfen leiden, ist die Überwachung des Pollenflugs ein wichtiges Instrument, das es ihnen ermöglicht, dank der Pollenvorhersagen vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Derzeit basiert die Überwachung von Pollen auf der Identifizierung und Zählung der einzelnen Pollenkörner unter dem Mikroskop. Diese Methode ist zeitaufwändig und erfordert die Ausbildung eines spezialisierten Analysten. Obwohl mit dieser Methode die allgemein als allergen geltenden Pollen mit hoher Genauigkeit identifiziert werden können, ist es häufig nicht möglich, die verschiedenen Gattungen oder Arten innerhalb einer Pflanzenfamilie zu identifizieren. Nehmen wir als Beispiel die Familie der Gräserpollen. So sehen die Pollen der verschiedenen Gräsergattungen und Gräserarten unter dem Mikroskop alle so ähnlich aus, dass es im Prinzip nicht möglich ist, sie voneinander zu unterscheiden. Das mag nicht weiter bedeutsam sein, da alle Gräserpollen allergen sind, auch wenn es zwischen den Arten leichte Abweichungen geben mag. Bei anderen Pflanzenfamilien kann das am Ende jedoch einen entscheidenden Unterschied machen. So gelten etwa die Pollen der Brennnesseln (Urtica) aus der Familie der Brennnesselgewächse (Urticaceae) als wenig allergieauslösend, während die Pollen der zur selben Familie gehörenden Glaskräuter (Parietaria) bekannte und wichtige Allergieauslöser sind. Beide Pflanzengattungen lassen sich jedoch mikroskopisch nicht voneinander trennen. In den letzten Jahren sind daher andere Methoden zur Pollenidentifizierung entwickelt und verfügbar gemacht geworden, wie z.B. die Sequenzierung des genetischen Materials (DNA) von Pollenproben. Diese Methode ermöglicht es, die relativ grobe Identifizierung der Pollen auf dem Familien- oder Gattungsniveau zu verfeinern und auch Aufschlüsse über die zugrundeliegende Pflanzenart zu gewinnen, von der das Pollenkorn stammt.
Das kann für Allergiker bedeuten, dass zwischen Pollen von allergenen Arten und Pollen von nicht bzw. weniger allergenen Arten zuverlässig unterschieden wird und damit die Pollenbelastungsvorhersage verfeinert werden könnte. Da jedoch die Menge des genetischen Materials in einigen Pollenarten nicht immer gleich ist, ist es schwierig zu beurteilen, ob die Anzahl der nachgewiesenen Kopien des genetischen Materials die Anzahl der in der Luft befindlichen Pollenkörner genau wiedergibt, quantitative Aussagen zur Pollenzahl in der Luft also wahrscheinlich nicht möglich sind.
In einer aktuellen Studie aus den Niederlanden wurden nun die auf herkömmlichem Weg mittels mikroskopischer Analyse gewonnen Daten zu Pollenart und Pollenzahl, mit einer Genanalysemethode namens DNA-Metabarcoding verglichen, die die Identifizierung der Pflanzenarten erlaubt, von der die innerhalb einer Probe gefundenen Pollenarten stammen. Dabei wurde auf zwei Standorte mit herkömmlichen Pollenfallen in den Niederlanden zurückgegriffen. Während dort mit der derzeitigen mikroskopischen Methode Pollen von 23 Pflanzengattungen und 22 Pflanzenfamilien identifiziert werden konnten, wurden mittels der DNA-Metabarcoding-Technik, die auf den Marker nrlTS2 abzielt, bis zu 168 Arten und 56 Pflanzenfamilien eindeutig identifiziert, wobei allerdings in die Analyse nicht nur die DNA von Pollen, sondern auch von umherfliegenden Pflanzenteilen (z.B. Samenhaaren) eingeschlossen worden sein kann.
Im Rahmen der Studie konzentrierte sich die Wissenschaftler auf die drei in den Niederlanden verbreiteten Pollenarten Erle, Brennnesselgewächse und Zypressen-/Eibengewächse. Die Autoren der Studie identifizierten Erlenpollen (Alnus) unter dem Mikroskop bis auf Gattungsniveau, Pollen der Brennnesselgewächse (Urticaceae) bis auf Familienniveau. Die Pollen der Zypressengewächse (Cupressaceae) wurden mit denen der Eibengewächse (Taxaceae) zusammengefasst1. Mit Hilfe der DNA-Metabarcoding-Technik lassen sich nun viele der einzelnen, am Pollenflug beteiligten Pflanzenarten und deren relative Häufigkeit ermitteln. So konnte bei den Erlen zwischen den einheimischen Arten Schwarzerle/Grauerle (Alnus glutinosa/incana) und der nicht einheimischen Kulturhybride Purpurerle (Alnus × spaethii) unterschieden werden und es zeigte sich, dass der sehr frühe Pollenflug im Dezember im Westen der Niederlande durch die Blüte der Purpurerle verursacht wurden, die damit die Länge der heimischen Pollenflugsaison signifikant verlängerte. Bei den Zypressengewächsen (Cupressaceae) und der Familie der Eibengewächse (Taxaceae) wurde deutlich, dass sich der überwiegende Anteil an Pollen aus dieser Gruppe im Frühjahr auf die weniger allergenen Eiben (Taxus baccata) zurückführen lässt. Die Pollen der unterschiedlichen Zypressengewächse (z.B. Sicheltanne [Cryptomeria japonica] oder Arizona-Zypresse [Cupressus arizonica]) machten dagegen nur einen vergleichsweise geringen Anteil in dieser Gruppe aus. Beim allergenen Glaskraut (Parietaria) fanden sich mittels der neuen Technik nur an einer der beiden niederländischen Messstationen Hinweise auf einen geringen Anteil Pollen, bzw. genetischen Materials in der Luft. Dominant waren eindeutig die Pollen der wenig allergenen heimischen Brennnessel (Urtica dioica).
Darüber hinaus wurde im Rahmen der Studie eine neue Methodik angewandt, die die Analyse von bereits für die mikroskopische Analyse vorbereitete Proben erlaubte. Damit könnte nachträglich die Genauigkeit der weltweit verfügbaren historischen Pollenpräparate aus dem Pollenmonitoring erhöht werden. Dies könnte zum Beispiel dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflanzenvielfalt und die Ausbreitung allergener Arten besser zu verstehen.
Alles in allem zeigt die Studie, dass die molekulare Überwachung von Pollen aus der Luft dank des DNA-Metabarcodings eine deutlich höhere taxonomische Auflösung erlaubt, als die herkömmliche mikroskopische Pollenanalytik. Interessanterweise stimmen dabei die gewonnenen Daten der semiquantitativen molekularen Methode mit den Zählungen der traditionellen Methoden recht gut überein. Damit ist der Einsatz dieser neuen Technik zur Pollenbestimmung im Pollenmonitoring keine Zukunftsmusik mehr. Für die reguläre Pollenüberwachung wird das DNA-Metabarcoding zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der teuren und aufwändigen Labordiagnostik jedoch nicht zum Einsatz kommen, bleibt also vorerst noch wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten.
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DNA metabarcoding as a technique for pollen determination at high resolution – an additional tool for future pollen monitoring?
For people suffering from hay fever, pollen monitoring is an important tool that allows them to take preventive measures thanks to pollen forecasts. Currently, pollen monitoring is based on the identification and counting of individual pollen grains under the microscope. This method is time consuming and requires the training of a specialized analyst. Although this method can identify pollen generally considered allergenic with a high degree of accuracy, it is often not possible to identify the different genera or species within a plant family. Take the grass pollen family as an example. The pollen of the various grass genera and species all look so similar under the microscope that it is in principle impossible to distinguish them from each other. This may not be significant, since all grass pollen are allergenic, although there may be slight variations between species. However, in the case of other plant families, this can make a crucial difference in the end. For example, the pollen of stinging nettles (Urtica) from the stinging nettle family (Urticaceae) is considered to be of low allergenicity, while the pollen of pellitory (Parietaria), which belong to the same family, are known and important allergens. However, pollen from both plant genera cannot be distinguished from each other under the microscope. In recent years, therefore, other methods for pollen identification have been developed and made available, such as sequencing of the genetic material (DNA) of pollen samples. This method makes it possible to refine the relatively coarse identification of pollen at the family or genus level and also to gain information about the underlying plant species from which the pollen grain originated.
For allergy sufferers, this may mean that pollen from allergenic species can be reliably distinguished from pollen from non-allergenic or less allergenic species, and thus pollen forecast could be refined. However, because the amount of genetic material in some pollen species is not always the same, it is difficult to assess whether the number of copies of genetic material detected accurately reflects the number of pollen grains in the air, so quantitative statements about the number of pollen grains in the air are probably not possible.
A recent study from the Netherlands has now compared data on pollen type and pollen counts obtained by conventional means using microscopic analysis, with a gene analysis method called DNA metabarcoding, which allows identification of the plant species from which the pollen types found within a sample originated. This was done using two sites with conventional pollen traps in the Netherlands. While there, the current microscopic method identified pollen from 23 plant genera and 22 plant families, the DNA metabarcoding technique targeting the marker nrlTS2 uniquely identified up to 168 species and 56 plant families, although the analysis may have included DNA not only from pollen but also from plant debris flying around (e.g., seed hairs).
In the study, the scientists focused on the three pollen species common in the Netherlands: alder, cypress/yew family and stinging nettle family. The authors of the study identified alder pollen (Alnus) under the microscope down to genus level, pollen of the nettle family (Urticaceae) down to family level. The pollen of the cypress family (Cupressaceae) was grouped with the pollen of the yew family (Taxaceae)1. With the help of DNA metabarcoding technology it is now possible to determine many of the individual plant species involved in pollen dispersal and their relative abundance. In alders, for example, it was possible to distinguish between the native species black alder/grey alder (Alnus glutinosa/incana) and the non-native cultivated hybrid purple alder (Alnus × spaethii), and it was shown that the very early pollen dispersal in December in the western Netherlands was caused by the flowering of purple alder, which thus significantly extended the length of the native pollen season. In the cypress family (Cupressaceae) and the yew family (Taxaceae), it became clear that the majority of pollen from this group in spring could be attributed to the less allergenic yews (Taxus baccata). In contrast, pollen from the various cypress family plants (e.g., Japanese cedar [Cryptomeria japonica] or Arizona cypress [Cupressus arizonica]) accounted for only a comparatively small proportion in this group. In the case of the allergenic pellitory (Parietaria), low levels of airborne pollen or genetic material were detected at only one of the two Dutch monitoring stations where the new technique was used. Pollen from the less allergenic native nettle (Urtica dioica) was clearly dominant.
In addition, a new methodology was applied in the study that allowed the analysis of samples already prepared for microscopic analysis. This could subsequently increase the accuracy of historical pollen slides available from pollen monitoring worldwide. This might, for example, help to better understand the effects of climate change on plant diversity and the spread of allergenic species.
All in all, the study shows that molecular monitoring of airborne pollen allows significantly higher taxonomic resolution than conventional microscopic pollen analysis thanks to DNA metabarcoding. Interestingly, in this context, the data obtained by the semiquantitative molecular method correspond quite well with the pollen counts obtained by the traditional methods. Thus, the use of this new technique for pollen determination in pollen monitoring is no longer a vision of the future. However, DNA metabarcoding will not be used for regular pollen monitoring at the present time because of the expensive and time-consuming laboratory diagnostics, so it will initially remain reserved for scientific questions.
Dr. Nestor González Roldán, Matthias Werchan, 29.06.2022; aktualisiert am 30.06.2022
*** Ein populär-wissenschaftlicher Service der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst mit freundlicher Unterstützung von Allergopharma GmbH & Co. KG. ***
Originalpublikation in Englisch: Polling M, Sin M, de Weger LA, Speksnijder AGCL, Koenders MJF, de Boer H, Gravendeel B. DNA metabarcoding using nrITS2 provides highly qualitative and quantitative results for airborne pollen monitoring. Science of The Total Environment 202;806(1) 150468. doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.150468. Epub 2021 Sep 21. PMID: 34583071
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1Anmerkung der Pollenwissen-to-go-Autoren: Lichtmikroskopisch lassen sich laut Beug, 2004 „Leitfaden der Pollenbestimmung“ Pollen der Zypressengewächse (Cupressaceae) von denen der Eibengewächse (Taxaxceae), bzw. von denen der Eibe (Taxus) voneinander unterscheiden.
1Note by the Pollenwissen-to-go authors: According to Beug, 2004 "Leitfaden der Pollenbestimmung", pollen of the cypress family (Cupressaceae) can be distinguished from that of the yew tree (Taxus, Taxaceae) using light microscopy.
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